Die Herrin der Kelten
Dubornos, dem rothaarigen Sohn von Sinochos, und von dem Schaden, den Airmid ihm zugefügt hatte, war schlicht und einfach nicht wahr, obwohl Airmid keinerlei Anstrengung unternommen hatte, die Lüge zu widerlegen, was irgendwie frustrierend war. In der ersten Zeit, als Breaca erkannt hatte, dass es reine Missgunst war, die ihre Altersgenossen veranlasste, so schlecht über das ältere Mädchen zu sprechen, hatte sie noch versucht, Airmid zu verteidigen. Zweimal hatte sie sich mit den anderen geschlagen und dabei den Kürzeren gezogen. Später, nach einem Gespräch mit ihrer Mutter, hatte sie dann aufgehört, die Sache eines anderen Menschen zu verfechten, und war stattdessen dazu übergegangen, aufmerksam zu beobachten und so viel über die Geheimnisse des Visionierens zu lernen, wie sie konnte. Falls Airmid es bemerkt hatte, so hatte sie jedenfalls nichts davon erkennen lassen.
Mit dem Tod von Breacas Mutter im Herbst des vergangenen Jahres hatte sich das Verhältnis zwischen den beiden Mädchen jedoch schlagartig verändert. In einer Zeit, als Breacas Welt so vollkommen aus den Fugen geraten war, hatte Airmid sich als ein wahrer Fels in der Brandung für sie erwiesen, ruhig und zuverlässig und immer bereit, Trost zu spenden; sie hatte Breaca auch die Kriegerfeder mit dem rot gefärbten Kiel geschenkt, eine Geste, an die sonst niemand gedacht hatte. Danach war ein neuer Respekt zwischen ihnen erwachsen, und daraus hatte sich schließlich eine Freundschaft entwickelt, die noch sehr viel tiefer ging und sehr viel mehr wert war.
Es war ein guter Tag, um still bei einer Freundin zu sitzen. Breaca betrachtete das Lichtspiel auf der Oberfläche des Teiches. Die Sonne stieg langsam höher am Himmel empor, und Breacas Schatten bewegte sich mit ihr, während er Zentimeter für Zentimeter vorwärtsglitt, bis er sich bis zu den ersten Schilfbüscheln erstreckte, die am Teichrand wuchsen. Breaca überlegte, ob sie sich vielleicht einen anderen Platz suchen musste, damit ihr Schatten nicht das Wasser des heiligen Teiches befleckte, und kam zu dem Schluss, dass das nicht nötig war. Die Sonne wanderte weiter, bis sie auf ihren Rücken schien und die Stelle zwischen ihren Schulterblättern wärmte, die sich seit jenem Morgen, an dem ihre Mutter gestorben war, immer so entblößt und verwundbar angefühlt hatte. Sie schloss die Augen und ließ die Sonnenwärme in ihr Innerstes eindringen. In ihren Gedanken sprach ihre Mutter mit ihr, so wie sie es getan hatte, als Breaca noch ein kleines Kind gewesen war, und wie ein kleines Kind, so verstand Breaca auch jetzt nicht den Sinn ihrer Worte. In der Ferne begann ein Frosch zu sprechen, und die beiden Stimmen verschmolzen miteinander. Eine Hand, die nicht die ihrer Mutter war, löste die warmen Sonnenstrahlen auf ihrem Rücken ab und massierte die Muskeln zu beiden Seiten ihres Rückgrats. Eine Stimme, die nicht die ihrer Mutter war, sagte leise: »Breaca, mach die Augen auf.«
Sie tat es. Ein kleiner Frosch, nicht breiter als drei Finger, saß auf einem Felsblock im Dunkel ihres Schattens. Seine Haut war moosgrün, mit einem braunen Streifen an der Seite. Seine Augen waren vollkommen schwarz, und wenn er blinzelte, trafen sich seine Ober- und Unterlider in der Mitte des braunen Streifens. Jetzt blinzelte er. Breaca blinzelte zurück.
»Woher hast du gewusst, dass ich den Wegerich brauche?«, fragte Airmid.
»Ich habe zufällig gehört, wie du mit Macha darüber gesprochen hast.«
»Wo hast du ihn gefunden?«
»Auf der oberen Koppel, wo die einjährigen Fohlen im Frühjahr gegrast haben. Dort wächst eine einzelne Pflanze. Ich habe die Blätter bei abnehmendem Mond gepflückt, und ich habe darauf geachtet, nur ein Drittel der Blätter zu nehmen. Die Pflanze lebt also noch.«
»Danke. Das hast du gut gemacht.« Gleich nach ihren Fröschen waren es die Pflanzen, um die Airmid sich am meisten sorgte. Es war eine der Eigenschaften, die sie von den anderen unterschied. Ihre Hände glitten von Breacas Rückgrat zu ihren Schultern, um die Muskeln zu kneten, die von der Morgenarbeit verspannt waren.
»Hast du wieder mit den neuen Kampfspeeren deines Vaters geübt?«
»Nur für kurze Zeit. Macha brauchte Hilfe beim Unkrautjäten. Danach bin ich mit einem von den neuen Speeren zu der unteren Wiese gegangen und habe ihn getestet.«
»War er gut?«
»Für Sinochos wird er genau richtig ausbalanciert sein. Er hält die Wurfspeere weiter hinten. Ich würde allerdings ein Gewicht am
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