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Die Herrin der Kelten

Die Herrin der Kelten

Titel: Die Herrin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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gekommen wären, um den Grabhügel und die ihn umgebende Landschaft in gleißendes Licht zu tauchen.
    Zwar war es kein schöner Anblick, aber dennoch ein fesselnder. Als sich Breaca dieses Schauspiel zeigte, hielt sie inne und atmete tief ein. Dann fiel ihr Blick auf den großen Stein, der aufrecht am Ende des Hügels stand, und sie schnappte überrascht nach Luft. Der Stein war aus Granit, was allein schon ungewöhnlich war. Es war eine einzelne, dicke Granitplatte, um etwa eine Speerlänge größer als Breaca und eine halbe Speerlänge breit, zulaufend zu einer abgerundeten Spitze. Aus der Ferne hatte der Stein die gleichen Proportionen wie die Speerspitze in Breacas Beutel, doch es war nicht seine Größe, die ihre Aufmerksamkeit gefangen nahm, die sie ganz nahe an ihn herantreten ließ, um mit forschenden Fingern über seine Oberfläche zu streichen, sondern die Zeichen auf ihm. Dort, auf einer Höhe mit ihren Augen, war mit kühnem Schwung das Zeichen des Schlangenspeers eingemeißelt, dasselbe Zeichen, das die Großmutter auf Breacas Schild und die Schulter ihres Pferdes gemalt hatte, als Breaca im Sommer am Tag der Götter hinausgeritten war, um die Trinovanter zu empfangen. Behutsam ließ sie einen Finger über die Linien gleiten, säuberte die Ränder. Es war weder eine frische Gravur, noch war sie, bei näherem Hinsehen, so tief, wie sie auf den ersten Blick erschienen war. Das ganze Symbol, vom Kopfanfang der Schlange bis zu ihrem Schwanz, hatte etwa die Länge von Breacas Hand, und die Schärfe der Linien war durch Generationen von Sonnenschein, Wind und Regen und die pelzigen Schichten von Flechten gemildert worden. Wäre nicht der hoch am Himmel stehende Mond gewesen, hätte Breaca das Zeichen überhaupt nicht bemerkt.
    »Ist das ein gutes Abbild?«
    Breaca wirbelte herum, und noch während sie den Sinn dieser Worte zu begreifen versuchte, zog sie schon mit einer blitzschnellen Bewegung ihr Messer aus dem Gürtel. Hinter ihr stand die ältere Großmutter und grinste, so wie sie immer grinste, wenn sie ihrem Umfeld gerade wieder einmal den größten Schreck eingejagt hatte. Sie trug nicht die Kleidung, die sie im Frauenhaus getragen hatte. Genau genommen trug sie überhaupt keine Kleidung, wenn man einmal von der kunstvollen Kette aus Adlerschädeln und Fuchszähnen absah, die leise auf ihrem Brustbein klirrte. Ihre Beine waren fast bis zur Hälfte der Oberschenkel mit nassem Schlamm bedeckt, als ob sie den Fluss an einer anderen Stelle als bei den Trittsteinen überquert und sich dabei mit der Wassertiefe verschätzt hätte. Ihre Augen, von dunklen Schatten umflort, waren schwarz.
    »Du hast ziemlich lange gebraucht, bis du den Ort gefunden hast. Ich dachte schon, ich müsste losgehen und dich suchen.« Die Großmutter legte den Kopf schief. »Hast du meine Speerspitze bei dir?«
    »Ist das deine? Ich dachte... ja, hier ist sie.«
    Breaca war noch zu geschockt, um in ganzen Sätzen zu antworten. Nichts, keine einzige der Unterrichtsstunden, keines der Zwiegespräche mit Airmid, hatten sie auf das hier vorbereitet. Sie langte in ihren Beutel und brachte das Geschenk um Vorschein, das Bán ihr gegeben hatte. Sie hatte es zwar ohne weitere Empfindungen angenommen, doch jetzt hätte sie es am liebsten nicht wieder hergegeben. Die Großmutter griff danach und nahm die Speerspitze in ihre Hand.
    »Gut.«
    Dann reichte sie sie sogleich an Breaca zurück, die sie mit Erleichterung wieder an sich nahm. Abermals lächelte die Großmutter, diesmal sogar mit einem wahrhaft strahlenden Lächeln. Sie hatte einen leichtfüßigen Schritt, als ob sie mit dem Ablegen ihrer Kleidung zugleich auch etliche Lebensjahre abgestreift hätte. »Komm mit. Du bist spät dran, und es gibt noch eine ganze Menge zu sehen.«
    Breaca hatte das Gefühl, dass die Realität wieder verschwamm. Ähnlich wie die Wasserratte, so schien sich jetzt nämlich auch die alte Frau regelrecht in Luft aufzulösen, indem sie um den aufrecht stehenden Stein herumtrat und einfach verschwand. Als Breaca ihr nicht folgte, rief sie sie sogleich mit scharfer Stimme, die das rasche Schwinden der großmütterlichen Geduld verriet. »Komm! Schnell! Du verschwendest kostbare Zeit.«
    Es war nicht ratsam, den Zorn der Großmutter herauszufordern. Breaca trat also um den Stein herum und quetschte sich mit angehaltenem Atem durch den schmalen Spalt zwischen dem Stein und dem üppigen Gräserbewuchs am Rand des Hügels. Auf der anderen Seite angelangt, ließ sie den

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