Die Herrin der Kelten
in Wasser zu verwandeln. Der Fluss führte Hochwasser und überschwemmte die Niederungen zu beiden Seiten, spülte dabei die Trümmer des Winters weg und hinterließ in seinem Kielwasser weichen, aufgewühlten Schlamm. Weiter oben, am südlichen Waldrand, strömte das Schmelzwasser über den Lehmboden und schleppte dabei Sand über die tiefer gelegenen Weiden und in die Siedlung hinein, wo er schließlich seinen Weg in die Kochtöpfe und die Schlaffelle fand, was - darüber waren sich alle einig - noch schlimmer war als der Schlamm.
Mit dem Tauwetter wurden auch die Handelsstraßen wieder passierbar. Boten wurden ausgeschickt, um die Ratsmitglieder zusammenzurufen, und Eburovic spannte seine kleinen, gedrungenen Zugpferde vor seinen Karren und bahnte sich einen Weg durch den Schlamm, um Getreide von denjenigen zu kaufen, die noch welches übrig hatten, und um Ale und eine Hirschblase voller Salz mit zurückzubringen. Auf den Koppeln rund um die Siedlung weidete die heimische Pferdeherde die grünen Triebe ab, die überall aus der Erde sprossen, sobald der Druck des Schnees nachließ. Auf der Kuppe des Hügels - von den anderen Tieren durch zwei unbebaute Felder getrennt - grasten die neuen Pferde, die als Ergänzung zu dem spärlichen Gras noch mit dem letzten Rest des Winterheus gefüttert wurden. Unter der wärmenden Frühlingssonne füllten sich die Aushöhlungen hinter ihren Rippen und oberhalb ihrer Augen allmählich wieder, und sie begannen das raue, struppige Fell der Überfahrten zu verlieren. Jeden Tag rieben sie ein paar Büschel mehr davon heraus, indem sie sich an den alten Dornbüschen scheuerten, die ihre Koppel begrenzten, und jeden Tag kamen weitere Flecken glatten, glänzenden Fells unter der verfilzten Haarschicht zum Vorschein. Eines Tages dann war der letzte Rest des alten Haarkleids verschwunden und mit ihm auch der letzte Überrest des Winters, so dass die Luft den Geruch nach feuchten, modrigen Binsen und nassem Holz verlor und stattdessen von dem zarten Duft der ersten Frühlingsblumen und dem lauten Gekecker kämpfender Rotkehlchenhähne erfüllt war.
Die Ratsversammlung war für den Tag des Vollmonds angesetzt. Bereits fünf Tage vorher begannen sich Älteste, Großmütter und Träumer zu versammeln. Auf dem höher gelegenen Gelände oberhalb der Siedlung wurde das große Versammlungshaus gesäubert und aufgeräumt; die alte Binsenschicht auf dem Fußboden, voller Nagetierkot und weiß vor Schimmelbefall, wurde hinausbefördert und in widerlich stinkenden Haufen am jenseitigen Rand des Waldes verbrannt. Das Schilf am Fluss war noch nicht hoch genug gewachsen, um die Binsen vom letzten Jahr zu ersetzen, aber einige Großmütter hatten in weiser Voraussicht trockenes Gerstenstroh von denjenigen Gemeinden mitgebracht, die noch welches abzugeben hatten, und sein Geruch erfüllte das ganze Haus bis unter das hohe Dachgewölbe.
Efnís traf am Tag vor der Ratssitzung ein. Der junge Mann aus dem rauen, unwirtlichen Land an der nördlichen Küste war in den vergangenen drei Jahren zum führenden Träumer seines Volkes aufgestiegen. Bán fand ihn am Abend im Versammlungshaus, wo er allein auf einem Pferdefell saß, umgeben von halb fertigen Fackeln. Bán bot sich an, ihm zu helfen; und dann saßen sie gemeinsam in dem trüben Zwielicht und tauschten Neuigkeiten aus, während sie an den Fackeln arbeiteten. Oder vielmehr erzählte Bán die Neuigkeiten, und Efnís hörte zu, denn alles, was hörenswert war, hatte sich südlich von seiner Heimat am Wash zugetragen.
Bán war der anerkannte Experte, was den jungen Römer anbetraf. Es hatte sich eher durch Zufall ergeben; der Fremde war offensichtlich sehr von der rotbraunen thessalischen Stute angetan, und Bán hatte sich gleich in dem Moment in sie verliebt, als sie aus dem Meer aufgetaucht war; deshalb war es nur natürlich, dass sie sich über dieses Thema unterhielten, sobald sie eine gemeinsame Sprache gefunden hatten. Der Römer hatte zuerst versucht, Eceni zu lernen, hatte das aber als sehr schwierig empfunden. Bán hatte es aus Höflichkeit mit Latein versucht, doch die fremde Sprache fühlte sich für ihn so seltsam an, dass sich ihm schier die Zunge verdrehte und seine Kiefermuskeln weh taten, und er hatte seine Versuche wieder aufgegeben, sobald er herausgefunden hatte, dass sie beide Gallisch sprachen. Bán hatte es von Gunovic gelernt, damit er später einmal Geschäfte mit den Pferdehändlern auf der anderen Seite des Meeres machen
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