Die Herrin der Kelten
rechtschaffener Mann; er musste ganz einfach die Fragen stellen, die ihm einleuchtend erschienen.
Sie funkelte ihn an, plötzlich über alle Maßen wütend. »Würden die Götter jetzt schon eine Warnung schicken, wenn die Gefahr noch ein ganzes Jahr auf sich warten ließe?«
Er zuckte die Achseln, nicht so recht überzeugt. Maroc, der die Antwort hätte wissen müssen, sagte nichts.
»Wir sollten trotzdem die Ernte einbringen«, ließ sich Beduoc vernehmen. »Krieger, die halb verhungert auf das Schlachtfeld reiten, auf ungefütterten Pferden und mit Hunden, deren ganzes Streben und Trachten auf die Jagd gerichtet ist statt auf die bevorstehende Schlacht, können nicht darauf hoffen, dass die Götter ihnen Glück bescheren.«
Andere um ihn herum nickten zustimmend; es waren Männer und Frauen, die mehr als ein einziges Menschenleben zu verlieren hatten und weniger als ein ganzes Volk. Nicht einer von ihnen führte weniger als hundert Speerkämpfer an. Sie waren es leid, immer nur zu warten. Geschlossen wandten sie sich gegen diejenigen, die sich um den Sprecherstein geschart hatten, und ihre Botschaft war klar.
»Geht.« Togodubnos sprach für die anderen. Er drehte seinen Schild zu ihnen herum, damit das Zeichen des Sonnenhunds, Gold auf weißem Grund, seinen Worten noch mehr Gewicht verlieh. »Nehmt eure Krieger. All diejenigen, die noch Getreide auf ihren Feldern stehen haben, sollten jetzt nach Hause reiten und es ernten. Ich werde vorläufig in die Residenz zurückkehren. Wenn der Mond wechselt und ihr nicht genügend Getreide für den Winter habt, schickt mir eine Nachricht. Die Kornspeicher der Trinovanter sind alles andere als leer. Ich werde dann dafür sorgen, dass Vorräte an all diejenigen geschickt werden, die sie brauchen.«
Airmid fragte: »Aber wenn du nördlich des ins Meer mündenden Flusses bist, wer wird dann hier wachen und nach den Römern Ausschau halten?«
Caradoc erhob sich nicht. Er blieb weiterhin in der Hocke neben dem Felsblock sitzen und erwiderte ruhig: »Ich werde hier bleiben, zusammen mit den vereidigten Speerkämpfern der Catuvellauner; sie werden zu Hause nicht gebraucht.«
Er führte dieses Volk jetzt an, nachdem sein Bruder nach der Schlacht gegen Berikos den Bluteid formell auf ihn übertragen hatte. Er hatte die letzten beiden Sommer bei den Catuvellaunern verbracht, und seine Tochter sah ihn nur noch im Winter. Falls ihre Mutter sich etwas anderes wünschte, so war zumindest nichts davon bekannt. Einmal, in einem Augenblick nachlässiger Unaufmerksamkeit, hatte Breaca ihn an sein Gelöbnis erinnert, dass seine Tochter ihren Vater öfter sehen und mehr von ihm wissen würde, als er selbst von Cunobelin gewusst hatte. Sie war überrascht über die Stärke seines Zorns gewesen und auch über ihre eigene Reaktion auf seinen Wutanfall. In fast vier Jahren war es das einzige Mal gewesen, dass sie sich gestritten hatten. Danach hatte sie die Sache nie wieder erwähnt.
Caradoc blickte sie nachdenklich an, als ob er den Strom ihrer Gedanken läse. Er sagte: »Diejenigen von den Atrebatern, die mir Treue schulden, werden sich uns anschließen. Sie haben nur wenige Krieger und sehr viele, die sich um die Felder kümmern. Und Mona, so nehme ich doch an, wird sich uns ebenfalls anschließen?«
»Selbstverständlich.« Breaca nickte. Er wusste das, und Togodubnos wusste es ebenfalls, doch es musste abermals gesagt werden, so oft, wie es nötig war, vor all jenen, die vielleicht noch Zweifel hegten. »Der Ältestenrat hat sein Wort darauf gegeben. Die Kriegerinnen und Krieger von Mona werden im Osten bleiben, bis der Krieg anfängt oder der Winter den Ozean unpassierbar macht. Wir werden im Frühling wieder zurückkehren und auch in jedem darauf folgenden Jahr, bis die Gefahr endgültig vorbei ist.«
»Danke.« Caradoc lächelte leicht. Zu den übrigen Mitgliedern der Versammlung sagte er: »Falls es noch andere unter euch gibt, die sich uns anschließen wollen, können sie das gerne tun. Wenn die Legionen kommen, werden wir Melder ausschicken. Dann wird es für euch Zeit, euch zu bewaffnen und loszureiten.«
»Du glaubst noch immer, dass die Römer kommen werden?«, fragte Gunovic.
»O ja, davon bin ich fest überzeugt.« Caradocs Blick war düster. »Auch sie warten auf die Ernte. Wenn die Feldfrüchte eingebracht worden sind und sie die Legionen vom Gewinn unserer harten Arbeit ernähren können, dann werden sie kommen.«
XXVI
Es fiel ein leichter Sprühregen, so fein wie
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