Die Herrin der Kelten
viel wert sein würde wie ein Jahr deines Lebens.«
Sie brachte es einfach nicht mehr über sich, ihn anzusehen. Ihr Blick schweifte zum Feuer hinüber, wo Hail lag und auf dem bloßen Ende einer Fackel herumkaute. Bán folgte dem Blick seiner Mutter, sah die Tränen, die jetzt wieder über ihre Wangen rollten, und plötzlich begriff er mit niederschmetternder Klarheit, und ihm war zu Mute, als würde ihm das Herz aus der Brust herausgerissen.
»Nicht Hail!« Er umklammerte ihren Arm, völlig außer sich vor Angst und Verzweiflung, während er mit der anderen Hand den erschrockenen Welpen packte und fest an seine Brust drückte. »Bitte, bitte nicht Hail! Bitte zwing mich nicht, ihn wegzugeben. Lieber würde ich Amminios für den Rest meines Lebens als Sklave dienen!«
Sie hielt ihn am Handgelenk fest. »Sag das nicht, Bán. Nicht an einem Tag wie heute.«
»Aber...«
»Sag es einfach nicht. Und, nein, es geht nicht um Hail.« Er sah, wie sich ihre Lippen zu der Andeutung eines Lächelns verzogen. »Ich glaube nicht, dass Amminios Hail annehmen würde. Dein Kampfhund hat versucht, ihn zu entmannen. Und ich glaube, wenn Breaca ihn nicht gepackt und weggezogen hätte, dann wäre es ihm sogar gelungen.«
Zu jeder anderen Zeit wäre Bán erfreut darüber gewesen. Jetzt überflutete ihn nur ungeheure Erleichterung, während er angestrengt versuchte, die richtige Lösung zu finden. Hail befreite sich zappelnd aus seinem Griff und wurde mit Küssen belohnt. »Die neue Hündin? Sie ist wirklich gut. Ein Mann wie Amminios würde zwar nicht wissen, was er mit ihr anfangen sollte, aber ich werde sie ihm schenken, wenn es unbedingt sein muss.«
»Nein. Nicht die Hündin. Sie ist etwas, was du gerade erst auf dem Markt erstanden hast. Sie ist nicht etwas, was dir besonders lieb und teuer ist. Es gibt nur eine einzige andere Sache...«
Und da sah er die Lösung, so erschreckend klar und deutlich wie ein scharfes Messer, das genau auf sein Herz zielte und das schon zu nahe war, als dass er ihm noch hätte ausweichen können. »Etwa das Fohlen? Mein graubraunes Stutenfohlen?«
»Ja. Es tut mir unendlich Leid, Bán, aber das Fohlen ist das Einzige, was genügen wird.«
»Aber sie darf noch nicht von ihrer Mutter getrennt werden! Sie ist noch zu jung, sie ist doch noch gar nicht entwöhnt.«
»Ich weiß. Deshalb werden wir auch das Muttertier weggeben müssen. Das Fohlen und die Stute müssen gemeinsam gehen. Morgen früh, nach der Zeremonie bei Sonnenaufgang, musst du Amminios beide Tiere als dein Geschenk übergeben und dich in aller Form bei ihm entschuldigen.«
Sein Tag verstrich in trostloser Verzweiflung. Er saß auf dem Feld bei dem Stutenfohlen und gab ihr das Salz und die mit Honig gesüßten Kleiekuchen und all die anderen Geschenke, die die Leute ihm brachten. Es hatte sich schnell herumgesprochen, dass er sich von seinem geliebten Fohlen trennen musste, und Menschen, die er kaum kannte - diejenigen, die während des Pferdemarkts gekommen waren, um die junge Stute zu betrachten und zu bewundern, und andere, die er noch nie gesehen hatte -, gingen an dem Feld vorbei, und jeder von ihnen ließ ein kleines Geschenk zurück: ein bisschen Salz für das Fohlen, einen Krug mit Öl, um ihre Hufe zu polieren, einen Schwertgürtel für ihn, damit er ihn am nächsten Morgen bei der Zeremonie tragen konnte. Einen Tag zuvor hätte ihn das bloße Wissen um die große Anteilnahme all dieser wildfremden Menschen noch mit unbändigem Stolz erfüllt. Jetzt berührte ihn nichts von alledem mehr. Sein Vater kam, um sich eine Weile zu ihm zu setzen. Gemeinsam striegelten sie Muttertier und Fohlen und bürsteten ihre Mähnen und Schwänze, bis sie wie Seide schimmerten. Sie sprachen dabei kein Wort. Es waren auch keine Worte nötig. Beide wussten, dass die kleine Stute das beste Fohlen war, das Eburovic jemals gezüchtet hatte, und dass das Muttertier seine beste Zuchtstute war. Beide wussten, wie viele Jahre es gekostet hatte, um ein solch hervorragendes Zuchtergebnis zu erzielen, und dass die Chancen, jemals wieder ein zweites Fohlen wie dieses zu züchten, verschwindend gering waren.
Schließlich ging sein Vater wieder. Die kleine Stute beschnupperte Báns Hals und berührte mit ihren samtigen Lippen sein Haar, und sie verstand nicht, warum er nicht wie sonst mit ihr spielte. Er drehte ihre Ponyfransen zusammen, so wie er es an dem Morgen getan hatte, als sie zur Welt gekommen war, und hob das seidige, sandblonde Haar hoch,
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