Die Herrin des Labyrints
nicht so lange auf.«
»Nein, Baba, nur bis Mitternacht, wie üblich. Falls du wieder was zu feiern hast.«
»Diesmal kaum, Junior. Bis um zehn, in Ordnung?«
»Und wenn ich’s vergesse?«
»Dann setzt’s was.«
»Ha, misshandeln willst du mich? So wie vorhin?«
»Nein, nicht wie vorhin. Tut mir leid, ich war einfach übermüdet.«
»Ist schon in Ordnung. Viel Spaß!«
»Weniger, wahrscheinlich.«
Etwas wehmütig schaute ich dann den letzten zwanzig Minutender Übungsstunde zu, und mir fiel auf, dass sich Halima nicht so geschmeidig bewegte wie sonst. Das verwunderte mich ein wenig, aber dann zog mich die Musik, die zu mir in den Vorraum klang, wieder in ihren Bann, und ich fragte mich, ob ich meine konsequente Haltung, nicht mehr zu tanzen, eigentlich wirklich weiter aufrechterhalten wollte.
Halima schien nicht überrascht zu sein, mich in ihren Räumen vorzufinden.
»Hallo, Amanda. Geh in mein Büro – oder möchtest du lieber oben warten?«
»Ich denke, oben ist es besser. Wir haben etwas Persönliches zu besprechen.«
Sie drückte mir den Schlüssel in die Hand, und in ihren Augen blitzte ein wissender Funke auf. Sie wusste, warum ich hier war. Nun ja. Dann auf in den Kampf, sagte ich mir und ging nach oben. Ich hatte nur wenige Minuten in einer Zeitschrift geblättert, als Halima ebenfalls eintrat.
»Alles in Ordnung mit dir?«, fragte sie, und ihre Armreifen klingelten, als sie sich vorsichtig und leicht erschöpft in eine Sofaecke setzte.
»Soweit ja. Aber mit dir stimmt etwas nicht, oder?«
»Machst du uns einen Tee? Dabei redet es sich besser.«
Ich nickte und ging in die Küche. Irgendetwas stimmte mit Halima wirklich nicht. Als ich mit den Teegläsern und der Kanne zurückkam, sagte ich: »Du scheinst mich erwartet zu haben.«
»Ich habe dir eine Nachricht geschickt. Du hast sie verstanden.«
»Du willst damit wahrscheinlich sagen, dass du dir auf eine heimtückische Weise Zutritt zu meinen Gedanken verschafft hast. Mir ist nicht ganz klar, ob oder wie das geht, aber du bist ja wohl fähig dazu.«
Sie lächelte traurig, vollführte dann dieselbe Geste wie in meinem Traum in der vergangenen Nacht und löste ihre Haare.
»Ich kann es, und ich mache es nicht gerne.«
»So wie den Rest auch nicht, was?« Meine Stimme klang ziemlich bitter.
»Sprich es aus, Amanda, dann sehen wir klarer, oder?«
»Wenn du darauf bestehst! Du hast mit Damon geschlafen!«
»Ja. Habe ich jemandem etwas damit weggenommen?« Das war eine Frage, die nicht ganz einfach zu beantworten war. Damon und ich waren seit zehn Jahren geschieden, ja, wir hatten uns auch die ganze Zeit über nicht gesehen, und jeder von uns war seine eigenen Wege gegangen. Und trotzdem …
Halima nippte an ihrem heißen Tee und sah mich ruhig und wartend an.
»Nein.«
»Nein?«
»Worauf willst du hinaus?«, fragte ich, und meine Stimme klang spröde wie altes Papier.
»Auf ein wenig Einsicht bei dir.«
Gut, ich war gekommen, um die Situation zu bereinigen. Also war Einsicht auch von meiner Seite aus notwendig. Und die Einsicht, auf die sie anspielte, hatte ich in dieser Nacht bereits gehabt.
Ich senkte den Kopf und legte meine Hände über die Augen.
»Du liebst ihn, Amanda.« Halimas Stimme, tief und sanft, enthielt keine Herausforderung, nur ein zu Herzen gehendes Verständnis.
»Ja, leider.«
»War das so schwer zuzugeben?«
»Ja, weil es nur mit Schmerzen verbunden sein kann. Vor allem, weil du jetzt mit im Spiel bist.«
»Meine Rolle darin ist ausgespielt.«
»Bitte? Und was war das heute Nacht?«
»Ein Versuch, mich in dein Leben einzumischen. Ich habe meine Strafe dafür erhalten. Amanda, eine derartige Form von Magie trägt ihre Konsequenz in sich selbst.«
»Was heißt das?«
»Wann endete dein Traum?«
»Als Damon dich aus dem Zimmer führte.«
»Das habe ich mir gedacht. Er wusste, was ich vorhatte. Frag mich nicht woher. Er hat mich von dem einzigen Platz fortgeholt, wo du mich sehen konntest. Was dann folgte, war nicht sonderlich schön. Er hat mich benutzt, brutal und schmerzhaft,und hat mich dann wie einen schmutzigen alten Lappen beiseitegeworfen.«
»O Gott.«
»Ich habe nur bekommen, was ich verdient habe, Amanda. Ich kann froh sein, dass es so prompt geschah. Aber ich bin glücklich darüber, dass du jetzt hier bist.«
»Warum, warum, Halima?«
»Weil du in Gefahr bist, Amanda. Weil ich anders nicht an dich herankommen konnte und weil du meinen Worten nicht geglaubt hättest. Das ist das
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