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Die Herrin des Labyrints

Die Herrin des Labyrints

Titel: Die Herrin des Labyrints Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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beantworten, Halima. Bitte.«
    »Aber natürlich. Ich weiß sogar welche«, sagte sie und lächelte mich an. »Sie, die durch dich tanzte, die hast du in dem Ritual nicht gerufen. Sie, die in dir tanzte, hast du mit deinem Tanz zu dir gerufen. Du hast sie nicht angerufen, du hast sie in dichhineingerufen. Man mag es Besessenheit oder Schizophrenie nennen oder, wenn du willst, eine göttliche Ekstase.«
    Noch einmal erhob sich Halima und verschwand in ihrem Schlafzimmer. Als sie zurückkam, hatte sie eine kleine Statue in der Hand. Sie stellte sie vor mir auf den Tisch, und was ich sah, erfüllte mich mit namenlosem Entsetzen.
    »Du kennst sie!«
    Das war eine Feststellung, keine Frage. Ich konnte ihr darauf nur erwidern: »Als ich sie zuletzt sah, blickte sie mir aus meinem Spiegel entgegen.«
    »Kali, die Zerstörerin, Kali, die Verschlingerin, die auf den Leichen der Dämonen tanzt, Kali mit den tausend Namen, die im Rausch gegen ihren eigenen Gatten Shiva kämpft und ihren blutigen Tanz erst beendet, wenn er ihr in Gestalt eines kleinen Jungen erscheint. Ich habe mir schon gedacht, dass dich diese Erfahrung ziemlich mitgenommen hat. Deshalb habe ich dein Verhalten ja auch verstanden.«
    »Aber warum?«
    »Was weiß ich, Amanda? Was weiß ich? Nimm sie mit, die schreckliche Mutter Kali Ma.«
    Ich sah die schwarze vierarmige Figur an, eine Kette aus Schädeln hing um ihren Hals, und unter ihren Füßen wanden sich die Leiber der Dämonen. Rote Augen starrten aus ihrem Gesicht, und zwischen ihren weißen, scharfen Zähnen streckte sie mir die Zunge heraus. Sollte ich sie wirklich mitnehmen? Ich scheute mich davor, sie anzufassen, zu deutlich war mir noch in Erinnerung, wie ich selbst aus dieser furchtbaren Ekstase aufgewacht war.
    »Keine Angst, Amanda. Sie tut dir nichts. Es ist nur eine Statue, eine kleine Figur.«
    »Warum traue ich dir nicht, Halima?«
    »Weil du noch zu wenig von mir weißt. Aber das könnten wir ja ändern, nicht wahr?«
    Sie stand auf, und ich erhob mich ebenfalls. Die Statue hüllte sie in ein rotes seidenes Tuch und hielt sie mir auffordernd hin. Ich nahm Kali Ma an mich.
    »Ich fürchte, wir können uns nicht vor Ende nächster Wochetreffen. Ich habe am Wochenende Auftritte und bin auch von Montag bis Donnerstag unterwegs. Sobald ich wieder hier bin, melde ich mich, Amanda. Pass auf dich auf.«
    »So gut ich kann. Und … danke, Halima.«
    Sie schüttelte den Kopf und öffnete mir die Tür.

KAPITEL 37

    Unfall
    Das Gespräch mit Halima beschäftigte mich eine ganze Weile, aber im Grunde war ich froh darüber, dass sich die Spannungen zwischen uns nun einigermaßen gelöst hatten, auch wenn rückhaltloses Vertrauen noch auf einem ganz anderen Blatt stand. Vor allem aber bedauerte ich es, dass wir nicht über die Münze hatten sprechen können. Bevor es jedoch dazu kommen konnte, hatten die Göttinnen noch eine Prüfung der unangenehmsten Art für mich vorgesehen.
    An dem ersten warmen Wochenende im Mai kümmerte ich mich zusammen mit Patrick um unseren verwilderten Garten, ließ mich von ihm als Ausgleich mit dem Tischtennisschläger durch die Einfahrt hetzen und befasste mich abends mit einem der langweiligeren Kapitel meiner Diplomarbeit. Irgendwann gegen zehn schlug ich ungehalten die Bücher zu. In den ersten Monaten hatte das Schreiben der Abschlussarbeit den Reiz des Neuen gehabt, hatte mir eine recht freie Zeiteinteilung beschert und mir den Kontakt zu anderen Menschen ermöglicht. Aber in der letzten Zeit stellte ich immer wieder fest, dass ich mich weder für den Stoff besonders erwärmen konnte noch dass mir das Studentenleben sonderlich zusagte. Als ich nach der Schule an die Universität gekommen war, war für mich eine neue Welt der Freiheit angebrochen, doch inzwischen hatte ich wohl zuviel anderes erlebt, so dass die Begeisterung für diese Art des Lebenserloschen war. Aber eine Alternative sah ich, zumindest im Augenblick, nicht in greifbarer Nähe.
    Am Sonntag rief mich Henry an, was mich wirklich freute. Vor allem, weil er plante, noch im Mai zu uns zu kommen, um mindestens eine Woche zu bleiben. Als ich diese Neuigkeit Patrick gegenüber erwähnte, erntete ich milde Freude. Er löcherte mich anschließend, wann er sich wieder mal mit Damon treffen dürfe.
    »Dein Vater hat einen Beruf, der ihn die eine oder andere Stunde am Tag kostet, und er hat vermutlich auch ein paar eigene Interessen, denen er nachgehen möchte. Du kannst ihm nicht ständig auf der Pelle

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