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Die Herrin des Labyrints

Die Herrin des Labyrints

Titel: Die Herrin des Labyrints Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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christliche Erziehung eingeimpft hatte, waren mir noch immer gegenwärtig. Was hatte ich da in Bewegung gesetzt?
    »Halima, kann man das wieder rückgängig machen?«
    »Möchtest du das? Willst du das wirklich? Den Zustand wieder herstellen, in dem du dich vorher befunden hast?«
    »Nein, das nicht. Aber – du hast von Gefahr gesprochen. Sollte ich die nicht abwenden?«
    »Das kommt darauf an. Was hattest du von dem Zauber erwartet?«
    »Zu wissen, wer ich bin«, sagte ich, mit plötzlichem Erstaunen. »Halima, das weiß ich jetzt, oder wenigstens viel besser als zuvor. Das kann ich nicht mehr rückgängig machen.«
    »Siehst du. Aber in jedem Wissen lauert auch Gefahr. Lass uns sehen, welche der dunklen Schwester sich schon um dich gekümmerthaben. Erzähl mir von deinen schlaflosen Nächten oder den Alpträumen.«
    Zuerst wollte mir nicht so recht einfallen, was ich ihr dazu sagen konnte, aber dann wurde mir nach und nach klar, was eigentlich in jener Zeit so an mir gezehrt hatte.
    »Es waren weniger Träume als vielmehr die Erinnerungen an meine verkorkste Beziehung zu Damon. Ich denke, es kam da so die eine oder andere Sache hoch, die ich lange von mir weggeschoben hatte. Weißt du, die Episode, wie ich ihn kennengelernt habe, und die Folgen.«
    Ich erzählte Halima von meiner ersten Nacht mit Damon, und Halima erzählte mir von dem Weib in Scharlach und Ishtar. Ich schilderte ihr meine blamablen Bitten um Hilfe, und sie sprach über Inannas erniedrigenden Weg in die Unterwelt. Ich berichtete von meiner Demütigung nach der Hochzeit, und sie berichtete von der gnadenlosen Ereschkigal und ihren Dämonen. Ich schilderte die schmerzhafte Geburt meines Sohnes, und sie erzählte von Tiamat, der zerrissenen Mutter. Ich beschrieb die graue Zeit, in der ich mich von Damon getrennt hatte und meine Eltern pflegen musste, und sie malte mir ein Bild von dem grauen Nebelheim der Hel.
    »Willst du damit sagen, dass es für all diese Geschehnisse eine Erklärung in den Mythen gibt, Halima?«
    »Nein, Amanda. Nimm dich um Himmels willen nicht so wichtig! Du bist weder die Erste noch die Einzige, der das passiert. Es ist bereits so vielen Frauen so ergangen, dass diese Erlebnisse zu Mythen wurden.«
    »Und darin liegt eine gewisse Zwangsläufigkeit, oder? Was passiert denn als Nächstes, du Fatalistin?«
    »Fatalistin? Nein, das bin ich bestimmt nicht. Du hast den Kreis ja unterbrochen, indem du diesen Wunsch artikuliert hast. Die dunklen Schwestern waren schon vorher da, doch sie haben dich noch einmal mit ihrer Macht konfrontiert. Aber diesmal hast du dich ihnen gestellt. Alle Achtung, Amanda, das war eine große Leistung. Nicht jeder bringt die Kraft auf, noch einmal durch das Tal der Erinnerungen und der Tränen zu gehen.«
    Achtung vor dieser Phase der Erniedrigung war das Letzte, was ich erwartet hatte. Ich merkte, wie ich mich plötzlich aus meiner zusammengesunkenen Haltung aufrichtete und Halima verwundert ansah.
    »Du hast gar nicht so falsch gehandelt, als du diesem Zauber zugestimmt hast. Hätte ich dich damals schon gekannt, hätte ich etwas Ähnliches für dich getan. Allerdings mit mehr Verantwortungsgefühl. Obwohl es ziemlich unerquicklich für dich war, denke ich, es war notwendig, Amanda. Weißt du, die meisten Menschen scheuen die Begegnung mit den dunklen Schwestern. Nur ganz wenige suchen sie. Du hast sie heraufbeschworen. Die dunklen Schwestern machen vielen Angst. Aber wer sich ihnen stellt, dem geben sie schließlich große Kraft. Du bist selbstbewusster geworden seither, nicht wahr?«
    »Ja, das bin ich wohl.« Ich dachte daran, wie ich Ulli abserviert hatte, und musste leise lächeln. Dann fiel mir etwas anderes ein, was nicht schlüssig war in Halimas Erläuterung.
    »Was ich trotzdem nicht verstehe – Nicole hat doch dieses ritual für mich durchgeführt, ich habe gar nichts dazu getan.«
    »Nicole hat mit dem Handwerkszeug geklappert. Du hast an die Wirkung geglaubt. Und gewollt, dass sich dadurch etwas ändert. Magie, Amanda, wirkt durch den eigenen Willen.«
    »Es wäre auch ohne ihre Hexenkunst eingetreten, willst du damit sagen?«
    »Früher oder später, ja. Sie hat es vielleicht beschleunigt. Aber nun ist es spät geworden, Amanda, und ich muss morgen bei einer großen Gala auftreten. Können wir ein andermal weitersprechen?«
    Als ich auf die Uhr sah, erschrak ich. Es war schon beinahe halb zwölf.
    »Du hast recht, ich muss auch gehen. Aber eine Frage musst du mir trotzdem noch

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