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Die Herrin des Labyrints

Die Herrin des Labyrints

Titel: Die Herrin des Labyrints Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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sollte ich darauf erwidern? War ich in seinen Augen jetzt eine Erbschleicherin? Eigentlich kaum denkbar, bei der Höhe des Gesamterbes war der Betrag, so angenehm er auch für mich ausgelegt war, doch ein ziemlich geringer Anteil. Aber als Betreuer alter, sterbender Menschen kann man durchaus Gefahr laufen, dass irgendjemand hinterher etwas von unlauterer Beeinflussung ruft.
    »Dass wir uns nicht falsch verstehen, Mandy …«
    »Ich glaube, ich habe schon mehrfach gesagt, dass ich nicht Mandy genannt werden will«, sagte ich mit einer gewissen Schärfe. Ich war wahrhaftig kein »Mandy-Typ«.
    »Entschuldigung. Also, Amanda. Ich will in keiner Weise, dass du auf deinen Anteil an dem Erbe verzichtest. Es war völlig richtig, dass meine Mutter dich bedacht hat. Aber du solltest dich wirklich nicht verpflichtet fühlen, das Geld für diese sinnlose Suche auszugeben.«
    Aha, in diese Richtung trapste also die Nachtigall!
    »Na ja, Nandi, schließlich war es ihr Wunsch. Ich käme mir ziemlich schäbig vor, wenn ich mich jetzt einfach zurücklehne, kassiere und keinen Finger rühre.«
    »Vergiss es! Wer sollte sich darüber schon aufregen? Es gibt keine Enkelin. Im nächsten Jahr gehst du zu Dr. Wentz und sagst ihm, dass du niemanden gefunden hast. Das ist mehr als einleuchtend, bei den spärlichen Informationen, die dir vorliegen. Du hast doch nur die Briefe von Josi, nicht wahr?«
    »Ja, mehr ist da nicht in der Mappe gewesen, nur noch der Bericht der Detektei, dass sie nichts ermitteln konnten. Aber vielleicht könntest du mir ja noch ein paar Hinweise geben?«
    »Ich? Du liebe Zeit! Als Josi abgezogen ist, war ich gerade mal dreizehn Jahre alt und hatte ziemlich wenig Interesse an meiner zehn Jahre älteren Schwester.«
    Da mochte schon etwas dran sein, aber wenn Nandi gewollt hätte, hätte er mir schon ein etwas besseres Bild von der jungen Frau geben können. In diesem Zusammenhang fiel mir noch etwas ein.
    »Gibt es eigentlich Fotos von Josiane?«
    »Bestimmt. Aber was willst du damit anfangen? Familienähnlichkeitenaufstöbern? Mach dich nicht verrückt mit der Sache. Selbst wenn irgendwo auf der Welt diese ominöse Tochter von Josi herumvegetiert, wird sie wahrscheinlich ganz froh sein, dass sie keine lästige Verwandtschaft hat.«
    Wenn sie, wie er es so zynisch auszudrücken beliebte, irgendwo herumvegetierte, könnte sie durchaus an einem beträchtlichen Erbe interessiert sein, verkniff ich mir zu sagen. Nandi hatte offensichtlich den lebhaften Wunsch, niemand möge die alten Geschichten aufrühren, und das erschien mir noch nicht einmal so unverständlich. Denn wenn die Erbin nicht auftauchte, würde er nun mal auch ihren Anteil am Erbe erhalten. Andererseits hatte ich nicht den Eindruck, dass Nandi am Rande des Existenzminimums lebte. Außerdem blieb es ihm ja unbenommen, das Rätsel zu lösen, um den Nachlass seiner Großmutter zu erhalten, was immer das war. Darüber hatte sich Gita im Testament nämlich ausgeschwiegen, und auch der Notar war nicht bereit gewesen, dazu nähere Auskünfte zu geben.
    »Also, ich weiß nicht recht, Nandi. Auch wenn ich nicht viel Erfolg haben werde, muss ich zumindest versuchen, eine Spur zu finden. Das würde mein Gewissen beruhigen«, erklärte ich ihm und bemühte mich, ihn mit ein paar gezielten Blicken Richtung Tür zum Aufbruch zu bewegen.
    »Tu, was du nicht lassen kannst. Aber du solltest auch auf deinen Sohn und deinen Freund Rücksicht nehmen. Die Lebenden sind wichtiger als die Toten.«
    Daher wehte der Wind. Ulli hatte Verbündete gesucht und gefunden.
    Mit einigen nichtssagenden Floskeln komplimentierte ich Nandi aus dem Haus.
KAPITEL 6

    Die lächelnde Göttin
    Die Göttin war recht zufrieden mit den Sterblichen, die sie verehrten. Wenn sie auch oft genug mit ihren Gedanken in der Welt hinter den Welten weilte und sich nach ihrem Geliebten sehnte. Da sie aber eine verantwortungsvolle Göttin war, ließ sie die Menschen davon nichts spüren, solange sie ihr huldigten.
    Ihre Welt war klein geworden, ein friedlicher, heiterer Tempel, in dem sie sich sicher und geborgen fühlte. Man opferte ihr Milch und Honig, kleidete sie in kostbare Gewänder, summte erhebende Hymnen, und der Duft schmeichelnder Essenzen umhüllte sie. Es war wirklich sehr erträglich – bis zu dem Tag, an dem die schützenden Mauern zusammenbrachen, der Honigtopf zerbarst, die ihr Dienenden flohen und sie alleine ließen. Und inmitten der Trümmer erhob sich eine finstere Macht, eine dunkle

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