Die Herrin des Labyrints
Hüften, um mich zu mehr Einsatz zu animieren. Aber ich ließ mich nicht ködern.
»Warum gehst du nicht mal ein bisschen aus dir heraus? Du kannst doch tanzen.«
»Ist mir zu anstrengend heute.«
»Das ist dir immer zu anstrengend. Meine Güte, jetzt drückst du dich schon vier Kurse lang bei den Anfängern herum. Du beherrschst die Figuren besser als jede meiner Fortgeschrittenen. Hast du denn gar keinen Spaß am Tanzen?«
»Doch, sonst wäre ich nicht hier.«
»Amanda, ich kann dir nichts mehr beibringen. Warum gehst du nicht zu einer anderen Lehrerin?«
»Willst du mich aus dem Kurs werfen?«
»Nein, darum geht es doch gar nicht. Du kannst gerne kommen und Masse bilden. Aber für dich wäre das viel besser. Eine Herausforderung. Du könntest auch mal auftreten, weißt du.«
Da sei der Himmel oder sonstige Mächte davor. Ein öffentlicher Auftritt war das Letzte, was mir vorschwebte. Ich machte mich klein und unscheinbar, in der Hoffnung, dass Kerstin von mir abließ. Sie tat es, und ich merkte, wie frustriert sie war.
Im Nebenraum zogen wir uns später um. Nicole verstaute klirrend und raschelnd das Kostüm, in dem sie zu den Stunden erschien, die anderen packten Fransentücher und Münzgürtel zusammen. Ich musste an die gehässige Äußerung einer Tänzerin denken, die Kerstin einmal vertreten hatte. Sie hatte behauptet, in diesem Kurs sei der Aufwand an Kostümen umgekehrt proportional zum Können der Schülerinnen.
»Was macht dein Auftrag, Amanda?«, wollte Nicole wissen, als wir nach draußen in den warmen Abend traten. »Hast du schon irgendwas über diese Enkelin herausgefunden?«
Ich fragte mich manchmal, ob Nicole so naiv oder so gerissen war, wenn sie solche Fragen stellte.
»Dein Nandi war bei mir und hat mir vorgeschlagen, das Geld einfach so zu verprassen und mir nicht die Mühe zu machen, die Erbin zu finden.«
»Ehrlich? Du, das glaube ich nicht. Das musst du falsch verstanden haben. Nandi hängt doch an seiner Familie.«
»Ich denke, er hängt auch am Geld, nicht wahr?«
»Er hat doch seinen Anteil bekommen. Ich bin sicher, dass er auch wissen will, was mit seiner Nichte passiert ist.«
»Und wenn diese Enkelin nun wirklich einfach Gitas Wunschdenken entsprungen ist?«
»Ist sie nicht. Das spüre ich!«
»Komm, reden wir von was anderem. Habt ihr dieses komische Rätsel schon gelöst?«
»Dieser verrückte Spruch mit dem Weg, den man finden muss? Nein, damit kann selbst Nandi nichts anfangen. Wir fragen uns alle, was Gita sich dabei wohl gedacht hat. Aber Nandi redet sich auch ein, seine Großmutter könne nichts Besonderes hinterlassen haben. Sie war nicht gerade – ähm – wohlhabend.«
»Und was macht dein neuer Job?«
Nicole hatte nach Gitas Tod bei Nandi im Büro angefangen und kümmerte sich, wenn ich das so richtig sah, um den täglichen Kleinkram. Mir kam das seltsam vor, denn sie hatte ihren Abschluss in Betriebswirtschaft gemacht und hätte bei einem Produzenten von Nandis Kaliber sicher auch anspruchsvollere Aufgaben übernehmen können. Aber die Frage war nicht schlecht gestellt, denn den ganzen Weg über plapperte Nicole über zickige Schauspielerinnen, rechthaberische Autoren und kleinkarierte Wirtschaftsprüfer.
Ihr Heimweg führte an meinem Haus vorbei, und da ich keine Lust hatte, mich wieder mit dem noch immer missgelaunten Ulli auseinanderzusetzen, lud ich sie auf ein Glas Wein im Garten ein.
»Hallo, Baba. Grüß dich, Nicole.«
Patrick hatte gerade noch einmal die Küche geplündert und trug einen Teller voller Krümel und Möhrenstrünkchen vor sich her.
»Warum nennt dein Sohn dich eigentlich Baba? Das wollte ich dich schon immer mal fragen«, sagte Nicole, als ich ihr das Glas reichte.
»Kennst du nicht die Baba Jaga, die alte Hexe?«, antwortete mein ungeratener Sohn mit einem bösen Grinsen an meiner Stelle.
»Mach, dass du in dein Zimmer kommst, du Teufelsbraten.«
Er entwischte, bevor ich ihm die Ohren lang ziehen konnte, und ich ließ mich in den Gartenstuhl sinken.
»Wer hat ihm denn das von der alten Hexe erzählt?«, empörte sich Nicole. »Die Baba Jaga war eine weise Frau, die im Wald lebte und die das Lebenskraut hütet. Du solltest ihm klarmachen, dass Hexen keine bösen Weiber sind, sondern hilfreiche und wissende Frauen.«
»Ich kann dir doch nicht alle Märchen umschreiben, nur weil sich die Sicht der Dinge geändert hat. Außerdem nennt er mich nicht Baba nach der Hexe, sondern nach meinem ersten Namen.«
»Was ist dein
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