Die Hexe von Freiburg (German Edition)
an, dass sie oft gelobt wurde von den Gästen. Es machte mich wütend zu sehen, wie Christoph gleich zur Stelle war, wenn sie mit einer Arbeit Schwierigkeiten hatte, oder dass Mutter sie anfangs umsorgte wie eine Glucke. Wir müssen ihr die Familie ersetzen, waren ihre ständigen Worte. Ich hingegen sagte meiner Base, wie dankbar sie uns sein sollte:
«Du hast Glück, dass du nicht zu fremden Leuten geschickt worden bist. Oder dass dein Vater dich nicht im Wald ausgesetzt hat.»
Mein Gott, was schäme ich mich heute noch für diese Worte. Sie wehrte sich nie gegen meine Gemeinheiten, schaute mich immer nur erschrocken und traurig aus ihren dunklen Augen an, was mich nur noch mehr reizte. Bis ich eines Tages auf den Gedanken kam, meine Freunde gegen sie aufzustacheln.
Gelegentlich ließ ich es zu, dass Catharina mit mir und meinen Freunden nach der Arbeit durchs Dorf zog. Sie schien mich zu bewundern, vielleicht, weil ich unter den Kindern das Sagen hatte, vielleicht auch, weil ich schon ein wenig fraulich aussah, während sie so knochig und staksig wie ein Fohlen daherkam. Wären nicht das dichte schwarze Haar und das schmale Gesicht gewesen, hätte man sie damals für einen Jungen halten können.
Mit Unmut hatte ich bemerkt, wie die anderen begannen, Catharina nett zu finden. So versprach ich den beiden einzigen Jungen, die mit uns herumzogen, dass derjenige mich küssen dürfe, der es schaffe, Catharina der Länge nach in eine Pfütze zu werfen.
Wie sehr hatte ich meine Base unterschätzt. Im Handumdrehen hatte sie erst dem einen Burschen eine blutige Nase geschlagen, dann den anderen in den Schwitzkasten genommen, bis der nur noch jammerte und wimmerte.
An diesem Abend wanderte ich zum Schlafen nicht auf den Dachboden, denn ich wollte erfahren, wo Catharina das Raufen gelernt hatte. Bis spät in die Nacht hinein erzählte sie mir von früher, von ihren Kämpfen mit den Freiburger Gassenbuben, von ihrem Vater und seiner wunderbaren Werkstatt, und von dieser grässlichen Frau mit ihren beiden Söhnen, die Catharina alles, was ihr wichtig war, weggenommen hatte.
2
Schon bald galten die beiden Mädchen im Dorf als unzertrennlich. Catharina empfand längst keinen Neid mehr auf die bewundernden Blicke der Männerwelt, die Lene auf sich zog. Mit ihrem hübschen Gesicht, den braunen Augen und dunklen Brauen, die in reizvollem Kontrast zu den langen blonden Haaren standen, war ihre Base zweifellos das schönste Mädchen der Gegend. Lene selbst hatte für diese Gunst nur Spott übrig, und wenn die Burschen im Dorf ihnen gegenüber zu aufdringlich oder zu frech wurden, halfen sie sich nun gegenseitig. Wo Lene ein frecheres Mundwerk hatte, war Catharina die Stärkere von beiden.
Einmal, zweimal die Woche machte sich Catharina auf den Weg in ihr Elternhaus, aber es geschah immer widerwilliger. Sie wusste, wie wichtig ihrem Vater diese Besuche waren, doch sie spürte bei jedem Wiedersehen deutlicher, wie viel Argwohn, ja Feindseligkeit ihr seitens Hiltrud und ihrem ältesten Sohn entgegenschlug und, was noch viel schmerzhafter war, dass es zwischen ihrem Vater und ihr nie wieder so sein würde wie früher. Hinzu kam, dass sie jedes Mal, wenn sie die Schwelle des Hauses überschritt, ein Gefühl von Beklemmung ergriff, von unbestimmter Angst. Bis schließlich, an einem schwülen Morgen Anfang Juli, diese Vorahnung Wirklichkeit wurde.
Ausnahmsweise hatte Catharina bei ihrem Vater übernachtet. Die Nacht hatte die stickige Hitze und den Gestank, der seit Tagen über der Stadt lag, nicht vertreiben können, und die Menschen waren gereizt und fanden keinen Schlaf. Als Catharina im Morgengrauen schweißnass die Küche betrat, um sich einen Becher Wasser zu holen, prallte sie im Halbdunkel mit ihrem Stiefbruder zusammen. Sie unterdrückte einen Schrei.
«Nicht so schreckhaft, meine Hübsche.» Johann hielt sie am Arm fest. «Du kannst also auch nicht schlafen.»
Sie schüttelte ihn ab und trat ein paar Schritte zurück. «Lass mich in Ruhe.»
Seine aschblonden Haare standen wirr vom Kopf, auf seiner kurzen, stumpfen Nase glänzten Schweißtropfen. Plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie nur ein kurzes Leibchen trug, und sie kam sich unter seinem stieren Blick ganz nackt vor.
In diesem Moment riss er sie an sich. «Führ dich bloß nicht so stolz auf, du – du Zigeunerbalg. Jeder hier weiß doch, dass deine Mutter eine Zigeunerin war. Du wirst schon sehen, wo du endest.»
Sein Atem ging schneller, wurde zu einem
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