Die Hexenadvokatin
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11. Oktober 1611, in Rom
»UND WAS HABEN wir in beinahe vier Wochen erreicht, meine Herren? Außer artigen Komplimenten, liebenswürdigen, aber wertlosen Versprechungen, nichtssagenden Lobsprüchen sowie pompösen Einladungen und üppigen Gastmählern haben wir nichts gewonnen. Wir stehen genauso da wie am Anfang unserer Mission.
Der Heilige Vater ist kein Jota von seiner Haltung abgewichen und die Kurie bleibt eisern bei ihrer Ablehnung. Kaiser Ludwig der Bayer ist und bleibt im Kirchenbann. Roma locuta, causa finita!«
Doktor Hannemann, der Pfarrer von Sankt Peter in München, nickte betrübt zu Albertas wütenden Ausführungen. Pater Winfried und die übrigen Herren der Delegation senkten enttäuscht die Häupter.
Für diesen Abend hatten sie sich ein kleines Speiselokal in Trastevere ausgesucht. Hierher, in das Armenviertel Roms, verirrte sich kein anderer Edelmann. Die erfolglose Gesandtschaft saß bei einem Glas Wein in der wenig besuchten Herberge beisammen; vor unliebsamen Zuhörern mussten sie sich nicht fürchten, zumal sie ausschließlich Deutsch sprachen.
»So wie es aussieht, Graf, haben wir in der Tat keinerlei Aussichten, dass der Papst seine Meinung noch ändern könnte, trotz unserer wertvollen Geschenke und ungeachtet der guten Dienste, die Herzog Maximilian der katholischen Kirche und dem einzig wahren Glauben erweist. Unsere Mission ist gescheitert«, zog der Dekan das bedauerliche Fazit.
»Wir werden als Verlierer nach München zurückkehren und Seine Durchlaucht wird darüber wenig erfreut sein«, kam es
kleinlaut von dem Benediktinermönch, der gleich zu Beginn ihrer Mission die Befürchtung gehegt hatte, die Widerstände der Kurie, über Jahrhunderte aufgebaut und verfestigt, würden so leicht nicht zu brechen sein.
»Was hält uns noch hier in Rom?« Alberta setzte ihr Glas ab und blickte ihre Mitstreiter an. »Ich denke, es wird am besten sein, wir gestehen unsere Niederlage ein, besteigen unsere Pferde und schauen, dass wir nach Hause kommen, ehe der Einbruch des Winters uns einen Strich durch die Rechnung macht und wir bis zum Frühjahr im Süden festsitzen.«
»Wie ich gehört habe, sind die Pässe bereits verschneit, und wir werden es nicht leicht haben, die Alpen zu überqueren; vielleicht haben wir eine allerletzte Möglichkeit, München in diesem Jahr noch zu erreichen, wenn wir uns beeilen.« Pater Winfried sagte dies mit einer gewissen Sorge - er war kein besonders guter Reiter …
»Also dann, abgemacht! In zwei Tagen reisen wir in aller Frühe von Rom ab. Das gibt uns die Möglichkeit, vorher noch vom Heiligen Vater und den wichtigsten Kurienkardinälen Abschied zu nehmen - und dann, nichts wie weg!« Entschieden beschloss Alberta mit diesen Worten das Gespräch.
Sie nahm sich vor, beim abschließenden Papstbesuch »diskret« durchblicken zu lassen, dass der Herzog nicht sehr glücklich sein würde über die als unbillig empfundene Ablehnung seiner Bitte. Und dass Venedig möglicherweise in Maximilian von Bayern einen Befürworter und Unterstützer gegen die Ansprüche Roms gewinnen könne … »Nützen wird es zwar nichts«, dachte die Gräfin, »aber den Pontifex könnte es zumindest ein klein wenig aus seiner Selbstgerechtigkeit aufschrecken.«
12. Oktober 1611, im römischen Quartier, 11 Uhr abends
Alberta war überrascht, als ihr ein Diener Kardinal Gianfranco Orsinis, der die Gesandtschaft in seinem Haus beherbergte, so spät noch einen Besucher meldete. Sie hatte sich an diesem Abend bereits um zehn Uhr schlafen gelegt, um am nächsten Morgen mit ihren Gefährten frühzeitig noch die Messe besuchen und anschließend zur Heimreise aufbrechen zu können.
Schlaf hatte sie bisher noch keinen gefunden - allzu unangenehm waren die Gedanken, die in ihrem Kopf herumspukten. Mittlerweile kannte sie Maximilian gut genug, um abschätzen zu können, wie ungnädig dieser die Absage des Heiligen Stuhls aufnehmen würde.
»Gegen den Papst wird er sich zwar offiziell mit keinem Wort auflehnen, aber mich - als den missliebigen Überbringer der abschlägigen Antwort - wird er seine Enttäuschung fühlen lassen«, dachte sie unglücklich und wälzte sich auf ihrem Lager von einer Seite auf die andere.
Es war sogar möglich, dass der Herzog sie nicht mehr als Geheimen Rat haben wollte; mit Versagern pflegte er im Allgemeinen kurzen Prozess zu machen. Vermutlich würde sie bis an ihr seliges Ende »Hexenrichter« bleiben …
Mitten aus diesen düsteren Visionen riss
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