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Die Hexenadvokatin

Die Hexenadvokatin

Titel: Die Hexenadvokatin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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sie die Ankündigung des unerwarteten Gastes - was ihr gar nicht einmal unlieb war. Vielleicht vermochte der, sie von ihren unerfreulichen Gedanken abzulenken. Rasch schälte sie sich aus den zerwühlten Laken, stand auf und warf sich einen Morgenrock über das lange Nachthemd. Der weite Mantel mochte reichen, ihre weiblichen Rundungen zu verhüllen und das rasch entzündete Kerzenlicht tauchte den Raum ohnehin nur in einen trüben Schein. Entschlossen schüttelte sich Alberta die knabenhaft
kurzen Haare aus der Stirn und bat den Diener samt dem Gast einzutreten.
    Wer allerdings tatsächlich in ihrem Gemach auftauchte und sich erst zu erkennen gab, als die Tür bereits hinter dem Diener zugefallen war - mit dieser Person hätte Alberta im Leben nicht gerechnet. Fast meinte sie, das Herz müsse ihr stehenbleiben.
    Die Unterhaltung dauerte - verständlich bei der ungeheuren Bedeutung für die beiden jungen Menschen - bis in die frühen Morgenstunden, obwohl Eile geboten schien. Alberta war völlig durcheinander: einerseits über alle Maßen entzückt, aber gleichzeitig zu Tode erschrocken und mehr als unentschlossen, wie sie sich nun konkret verhalten sollte.
    »Geht auf keinen Fall zurück nach München! Das lässt Euer Vater Euch durch mich ausrichten«, beschwor sie Albrecht von Hochfelln-Tausch - denn um keinen anderen handelte es sich bei dem nächtlichen Besucher.
    Nach dem ersten freudigen Erschrecken wunderte sich Alberta, wie es kam, dass dieser so gut mit ihrem Vater bekannt war; aber Albrecht löste das Rätsel im Handumdrehen auf. Der Freiherr aus der Steiermark, der neuerdings sein dunkelblondes Haar der augenblicklichen Mode entsprechend ein wenig länger trug, kniete vor Alberta nieder, nahm deren zarte Hände in die seinen und sagte schlicht:
    »Liebste, Ihr müsst Euch nicht mehr länger verstellen - wenigstens nicht vor mir. Ich habe Euer Geheimnis längst geahnt - eigentlich schon seit Venedig - und nun weiß ich es von Eurem Vater ganz gewiss, welch ein Opfer Ihr für Euren toten Bruder und für Eure Familie auf Euch genommen habt. Aber damit soll von nun an Schluss sein.«
    Alberta sank gleichfalls auf die Knie, schlug die Hände vor dem Gesicht zusammen und schluchzte laut auf. Die seelische
Erschütterung war einfach zu groß. Wahre Tränenströme vergoss die junge Frau, Tränen der Bitterkeit über die verlorenen Jahre und gleichzeitig Tränen unbändiger Erleichterung, dass der Zwang zu Lüge und Verstellung bald vorüber sein sollte.
    Wie viele Nächte hatte sie seit Venedig schlaflos verbracht, von den Gedanken an ihre sinnlos erscheinende Liebe zu Albrecht gequält … Wie sehr hatte sie ihn vermisst, seinen Witz, seine Herzlichkeit, seine klare Intelligenz und seine Schönheit. Mit Gewalt hatte sie versucht, sich die Erinnerung an den Edelmann aus dem Herzen zu reißen - gelungen war es ihr nicht, obwohl sie sich der Vergeblichkeit ihrer Wünsche sicher war. Nie hätte sie zu träumen gewagt, dass sie ihm ihre wahre Identität je enthüllen würde - und dass er ihre Gefühle auch nur annähernd erwidern könnte.
     
    Beide erhoben sich nach einer Weile und nahmen auf dem Bett Platz; Albrecht hielt die immer noch schluchzende, aber bereits zaghaft lächelnde Alberta in den Armen.
    »Ich stelle mir gerade vor, wie gut es Euch kleiden wird, wenn Ihr Euer herrliches, dunkles Haar wachsen lassen könnt«, murmelte der österreichische Freiherr und heftete verliebt den Blick seiner dunkelblauen Augen auf sie. »Und wie wunderschön Ihr in weiblichen Gewändern aussehen werdet«, schwärmte er, ehe er sie erneut an sich zog und leidenschaftlich liebkoste. Sie küssten einander immer wieder aufs Neue und gelobten sich, nie mehr voneinander zu lassen, jetzt, da sie sich endlich gefunden hatten.
    Die Seligkeit dauerte jedoch nicht allzu lange; denn die Sorgen um Albertas schwierige Situation duldeten keinen Aufschub. Wer sollte Herzog Maximilian die abschlägige Entscheidung des Heiligen Vaters überbringen, wenn Alberta in Italien bliebe? Natürlich hatte Seine Heiligkeit den einmal gefassten
Entschluss nicht revidiert - daran hatten auch Albertas versteckte Drohungen nichts mehr geändert. Allerdings hatte der Papst in einem anderen Streitpunkt endlich nachgegeben.
    Seit langem war es Maximilians Herzenswunsch, einen seiner jüngeren Verwandten als Bischof im 1215 vom Salzburger Erzbischof gegründeten Bistum Chiemsee eingesetzt zu sehen. Der Bischof von Chiemsee war ein Lehnsmann des Erzbischofs;

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