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Die Hexenadvokatin

Die Hexenadvokatin

Titel: Die Hexenadvokatin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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mischte der Kaplan sich ein. »Bei dem Beschuldigten handelt es sich schließlich weder um einen einfachen Bauern noch um einen schlichten Handwerker oder Krämer. Er ist eine Person aus uraltem, bayerischem Hochadel - durchaus vergleichbar mit den Wittelsbachern. Außerdem
ist er einer der Vertrauten Seiner Durchlaucht, des Herzogs, dem dieser offenbar die heikelsten Dinge zur Regelung überlässt.«
    »Hm. Ja, da habt Ihr Recht, Kaplan. Aber diejenige, welche die Beschuldigungen gegen ihn erhebt, ist auch keine beliebige Dienstmagd, sondern eine virgo intacta und gleichfalls Angehörige eines mindestens ebenso edlen Hauses wie das des Geheimen Rats«, knurrte Jacobus Fürmeyer. »Wie leicht kann sich da unsereiner zwischen zwei Stühle setzen!«
    »Dürfte ich den hochwürdigen Herren einen Vorschlag unterbreiten?«, meldete sich jetzt die Oberin energisch zu Wort. Dass die zwei Geistlichen gar so zögerlich an die Sache herangingen, gefiel ihr überhaupt nicht. Sie wünschte sich lebhafteres Engagement vonseiten der Amtskirche. Offenbar hielten die beiden es mit dem Sprichwort: Keinem wohl und niemandem wehe …
    »Aber, bitte, Ehrwürdige Mutter, sprecht!«
    »Ich denke, Ihr solltet Euch in die Zelle der edlen Dame bemühen und Euch von ihr und ihrer Frömmigkeit ein eigenes Bild machen. Im Augenblick lässt der Dämon sie in Frieden und Ihr könnt mit ihr in Ruhe über alles sprechen, Hochwürdige Herren.«
    »Das ist ein guter Gedanke.« Der Kaplan sah seinen Vorgesetzten auffordernd an. Dieser, der längst wieder am Tisch Platz genommen hatte, erhob sich ein wenig schwerfällig, um die gepeinigte Jungfer aufzusuchen.
    »In Gottes Namen denn! Begleitet uns zu dieser Novizin, Ehrwürdige Mutter. Lasst uns mit eigenen Augen sehen und mit eigenen Ohren hören, was sie - und möglicherweise ihr Dämon - uns zu sagen haben. Erst dann werden wir entscheiden, welchen Rat wir Seiner Eminenz, dem hochwürdigen Herrn Bischof, erteilen können.«

KAPITEL 35
    29. September 1611, in der Zelle der Gräfin Constanze
     
    DIE OBERIN FÜHRTE die geistlichen Besucher durch die stillen Gänge des Konvents zur Zelle Constanzes von Heilbrunn-Seligenthal; keine einzige der übrigen Nonnen ließ sich blicken, das Kloster schien wie ausgestorben.
    Als die drei eintraten, fanden sie das Fräulein totenbleich und mit geschlossenen Augen auf seinem Lager liegend vor, angetan mit dem schlichten grauen Gewand und dem weißen Halbschleier einer Novizin, während der Beichtvater vor ihrem Bett kniete und laut den Rosenkranz betete.
    »Was ist mit Euch, liebes Kind?«, erkundigte sich Mater Maria Luisa besorgt und trat an Constanzes Bett. Statt ihrer antwortete jedoch der Kapuzinerpater Giacomo Monte, während er sich mühsam von dem harten Steinboden erhob:
    »Die Novizin ist vorhin während unseres gemeinsamen Gebets plötzlich ohnmächtig geworden, Ehrwürdige Mutter.«
    »Oh!« Die Oberin war betroffen.
    Sie beugte sich über die bewegungslos Daliegende und verkündete in höchst servilem Flüsterton: »Der Abgesandte Seiner ehrwürdigen Eminenz, unseres hochverehrten Bischofs, der hochwürdige Jacobus Fürmeyer und sein Begleiter, der hochwürdige Kaplan Adam Kracht, erweisen Euch die Ehre, Gräfin, sich nach Eurem werten Befinden zu erkundigen.«
    Constanze wusste über den Zweck dieser Visitation zwar längst Bescheid, aber sie zog es vor, sich überrascht zu zeigen. In gespielter Demut hob sie den Kopf und blinzelte kurz, so, als müsse sie sich erst an das Licht gewöhnen, ehe sie den Ankömmlingen ins Gesicht blickte.
    Dann richtete sie ihre Augen erneut auf die Leiterin des
Konvents: »Ich bitte Euch herzlich, verehrte Mutter, nennt mich nicht Gräfin; bin ich doch eine der Geringsten unter allen Frauen hier im Kloster. Nur ›Schwester Maria Constanze‹, wenn es Euch beliebt«, flüsterte sie. Ihre Stimme klang sanft, aber bestimmt.
    Man ahnte, dass sie es gewohnt war, Befehle zu erteilen, denen auch Folge geleistet wurde. Erneut wandte sie sich den Geistlichen zu:
    »Gott zum Gruße, hochwürdiger Herr Pfarrer und ehrwürdiger Herr Kaplan. Welch unverdienter Ehre habe ich es zu verdanken, dass die hohen Herren mich Unwürdige aufsuchen? Mich, eine von Gott so schwer Geprüfte!«
    »Gott sei mit Euch, Schwester Maria Constanze«, gab der gelehrte Theologe höflich zurück. Ohne es zu wollen, war er von der Novizin beeindruckt. »Könnt Ihr uns sagen, womit der Herrgott Euch auf die Probe stellt? Seine Eminenz, der Bischof von

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