Die Hexenadvokatin
Freising, hat uns gesandt, um ihm von Euren Heimsuchungen Bericht zu erstatten.«
Inzwischen hatte sich die Angesprochene anmutig von ihrem Lager erhoben. Sie verharrte schweigend und mit gesenktem Kopf, bis Jacobus sie eindringlich bat, ihre Belästigungen freimütig zu schildern.
»Ich danke Euch, Herr. Es verhält sich so, dass ein Dämon mich neuerdings jede Nacht und jeden dritten Tag aufsucht, um mich zu quälen und zu schlagen, wenn ich auf seine sündhaften Vorschläge nicht eingehe.«
»Was sind das für Vorschläge, die der Dämon Euch macht?«, fragte Jacobus, indem er vorgab, er wüsste nicht, worum es sich handelte. Er musste den ungeheuren Vorwurf aus ihrem eigenen Munde hören, um sich ein Bild von der Besessenheit der jungen Frau zu machen.
»Ich soll meinem Glauben abschwören und er verlangt, ich
solle mit ihm Unzucht treiben, Hochwürden«, begann Constanze stockend und hob dabei langsam den Kopf. Der Blick, mit dem sie ihr Gegenüber fixierte, war erstaunlich klar und wach, wie es Jacobus schien.
»Natürlich habe ich das abgelehnt! Anfangs waren es noch Dinge, die er mich zu tun hieß, wie ein Ehemann sie von seinem angetrauten Weib mit dem Segen der Kirche verlangen darf. Aber bald begehrte er auch unsagbar Schmutziges, was die heilige Kirche als schwere Sünde verdammt, wie etwa das Verbrechen der Sodomie.«
Die Mutter Oberin - bereits schamrot im Gesicht - gab empörte Laute von sich; der Kaplan und der Beichtvater murmelten Worte, die sich wie ein Stoßgebet anhörten, in sich hinein. Nur Jacobus Fürmeyer schien nicht übermäßig beeindruckt. Dergleichen Dinge waren ihm beim Abnehmen der Beichte in seinem langen Priesterleben schon häufig zu Ohren gekommen. Und immerhin bestand die Möglichkeit, dass die Gräfin sich das alles nur einbildete - oder dass sie log, aus welchen Gründen auch immer.
Der Fall verlangte großes Fingerspitzengefühl. Jacobus, der gute Aussichten hatte, demnächst vom Herzog zu einem Mitglied des Geistlichen Rates ernannt zu werden, fuhr möglichst umsichtig in seiner Befragung fort:
»Erinnert Euch dieser unreine Geist womöglich an eine Person, die Euch bekannt ist, Jungfer?«, wollte er, sich ahnungslos stellend, wissen und fixierte die junge Frau dabei scharf.
»Oh, ja, Hochwürden! In der Tat«, entgegnete die Gräfin seelenruhig. »Es handelt sich jedes Mal um einen Angehörigen eines bayerischen Adelshauses, der beinahe mein Bräutigam geworden wäre, falls ich mich nicht entschlossen hätte, eine Braut Christi zu werden.« Sie log, ohne rot zu werden.
Der Abgesandte des Bischofs tat überrascht. »Von welchem Herrn sprecht Ihr?«
Constanze schlug in jungfräulicher Scheu die Augen nieder; es gelang ihr jetzt sogar, zart zu erröten. Als sie nach einer Minute noch immer schwieg, ergriff die Oberin das Wort.
»Nur keine falsche Scham, mein liebes Kind! Sagt frei heraus, dass es sich um den Grafen Rupert zu Mangfall-Pechstein handelt, der Euch diese Martern zufügt.«
»Oh! Ist das so, meine Tochter?« Auch Jacobus verstand es vortrefflich zu schauspielern. Die Novizin nickte mit gesenktem Blick. »Ja, Hochwürden, so ist es«, flüsterte sie. Dann, gleichsam als habe sich eine Schleuse geöffnet, sprudelten die Anklagen nur so aus ihr heraus: »Niemand macht sich eine Vorstellung davon, wie sehr er mich quält! Zuerst waren es nur süße Worte, mit denen er mich zu betören trachtete. Als ich jedoch standhaft ablehnte, wurde er wütend und fing an, mich zu prügeln. Seit Wochen bin ich am ganzen Körper grün und blau. Der Dämon Rupert drischt mit Fäusten auf mich ein.«
»Das kann ich bezeugen«, mischte sich Mater Maria Luisa aufgeregt ein. »Auch unsere Schwestern haben die Spuren der Misshandlungen gesehen. Einmal hat ihr dieser Teufel sogar zwei Rippen geprellt und letzthin beinahe den Arm gebrochen.«
»Des Nachts kommt der Dämon zu Euch, sagtet Ihr?«, vergewisserte sich Jacobus. »Neuerdings auch während des Tages«, platzte Mater Maria Luisa heraus. »Die Ärmste kommt überhaupt nicht mehr zur Ruhe. Kommt, meine Liebe, zeigt den hochwürdigen Herren Eure Blutergüsse und die Bissspuren!«
Die Leiterin des Konvents krempelte kurzerhand Constanzes Kuttenärmel bis weit über den Ellenbogen nach oben. Trotz der düsteren Lichtverhältnisse in der Zelle waren die
blaugrünen Verfärbungen gut zu erkennen. Nahe dem Ellenbogen sah man eine verschorfte Wunde, die aussah, als wäre sie vom Biss kräftiger Zähne verursacht.
»Ich habe
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