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Die Hexenadvokatin

Die Hexenadvokatin

Titel: Die Hexenadvokatin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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Pater dem Herzog gegenüber allerdings bei der Wahrheit: Sein junger Herr litte an einer kleinen Schwäche des Gemüts, ausgelöst durch die jüngsten aufwühlenden Ereignisse im herzoglichen Schlafzimmer.
    Maximilian tat, als empfände er Verständnis. Aber der Mönch erkannte, dass der Fürst im Innersten verstimmt war. Mit seinen großen, durchdringenden Augen maß er den Benediktiner kühl: »Das tut mir aber leid. Ich hätte nicht vermutet, dass ausgerechnet mein Oberster Hexenkommissar so zart besaitet ist, Pater.«

    Dann rang er sich zu einem dünnen Lächeln durch. »Die Robustheit seines Vaters Wolfgang Friedrich hat er jedenfalls nicht geerbt. Er scheint ja beinahe so nervenschwach geartet zu sein wie ein Frauenzimmer.«
    Bei dieser letzten Bemerkung lief es dem Benediktinermönch eiskalt über den Rücken … Für seinen Geschmack kam der Herzog der Wahrheit viel zu nahe.
    Eilends ging er heim, um nach seiner kranken Herrin zu sehen.

KAPITEL 21
    23. Mai 1611, in der Residenz zu München
     
    »ICH VERTRAUE GANZ und gar auf Euren guten Geschmack, sowie auf Euren Kunstverstand, Graf. Ich bin mir sicher, Ihr werdet das Richtige zur Bereicherung meiner Kunst- und Raritätenkammer finden. Der Preis ist nicht so wichtig - aber ich weiß, dass Ihr Euch von den Venezianern schon nicht übers Ohr hauen lassen werdet.«
    Die Gräfin zu Mangfall-Pechstein war stolz auf das Vertrauen, das der Fürst in sie setzte, und freute sich unbändig, dass sie diese Reise in den Süden antreten durfte. Sie bedeutete in mehrfacher Hinsicht sehr viel für sie. Zum einen erlaubte ihr die Fahrt nach Venedig, dass sie sich nebenbei einen Abstecher zu den Verwandten ihrer Mutter Eleonora erlauben konnte. Zum anderen entging sie durch diesen Auftrag den Schrecknissen eines neuerlichen Hexenprozesses.
    Nur ihrem Beichtvater und Berater, Pater Winfried, vertraute sie an, dass sie sich nicht mehr imstande fühle, ein weiteres
Mal arme und vermutlich völlig unschuldige Frauenzimmer den Gräueln der Folter sowie den Schrecken des Feuers auszuliefern.
    »Ich bin mir jetzt ganz sicher, dass es ein ungeheures Unrecht ist, diese Prozesse überhaupt stattfinden zu lassen«, verkündete sie Pater Winfried, als sie wieder einmal nach dem Abendmahl im Salon beisammensaßen. Der verwunderte, aber nichtsdestoweniger erleichterte Mönch glaubte erst, sich verhört zu haben. Hatte er seine Herrin endlich da, wo er sie schon vor langer Zeit hatte haben wollen?
    »Woher dieser plötzliche Umschwung?«, erkundigte sich Pater Winfried, als er seine Sprache wiedergefunden hatte. »Ich wusste zwar, dass Ihr Euch davor ekelt, solche Verfahren zu leiten, wegen all des Schmutzes, der aufgewirbelt wird. Aber dass Ihr es jetzt gar ein Unrecht nennt, bringt mich doch zum Staunen.«
    Alberta räusperte sich, ehe sie antwortete:
    »Ich verstehe, dass Euch das seltsam vorkommen mag, Pater. Aber zum Glück gibt es auch noch andere Literatur als diesen unsäglichen Hexenhammer oder die Ausführungen eines Martin Anton Delrio und ähnliche Machwerke. Nachdem ich diese anderen Bücher aufmerksam gelesen habe, weiß ich, welch große Verbrechen wir all die Jahre über begangen haben! Wie sollen wir mit dieser Schuld bloß weiterleben? All die Tausende von unschuldigen Opfern in ganz Europa! Wie konnte ich nur jahrelang so blind sein?«, rief die Gräfin ganz verzweifelt aus.
    Mit vornehmer Zurückhaltung unterließ es der Pater, seinen Schützling darauf hinzuweisen, dass er sie bereits vor vielen Jahren, als sie ihr Studium der Rechtswissenschaft gerade begann, auf das Unmenschliche dieser Prozesse aufmerksam gemacht hatte …

    »Im vergangenen Jahr habe ich als Oberster Kommissar in diesem spektakulären Malefizprozess insgesamt fünf Menschen so lange peinlich verhören, sprich, auf das Grausamste foltern lassen, bis diese endlich, an Leib und Seele gebrochen, nur noch gestehen wollten - und zwar alles, was ich , ihre Peinigerin, hören wollte. Ja, alle Beschuldigten sehnten sich am Ende förmlich nach dem Flammentod - nur damit diese Hölle auf Erden ein Ende habe …« In sich zusammengesunken, mit niedergeschlagenen Augen saß Alberta da, während sie noch einmal die schrecklichen Ereignisse vor sich sah.
    Auch der Pater erinnerte sich dieses Prozesses, der allgemein für Aufsehen gesorgt hatte - auch im Ausland. Der pro forma herbeigerufene »Richter«, ein vor dem Bankrott stehender Edelmann aus Niederbayern, hatte das Urteil gesprochen. Es lautete in jedem

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