Die Hexenadvokatin
gelandet hat?«
Alberta hielt es für besser, die Unterredung abzubrechen. Aber ihr Bruder schien jetzt von dem heißen Gesprächsthema so richtig angetan. Als er dann noch augenzwinkernd den Vorschlag machte, die »wilde Afra« gelegentlich an Alberta abzutreten, da reichte es ihr endgültig. Um ihrem Bruder keine Maulschelle zu verpassen, suchte sie lieber rasch das Weite.
Mit der Gräfin, ihrer verehrten Mutter, konnte sie über diese heikle Sache nicht gut reden, also brachte sie das leidige Problem zu einem günstig erscheinenden Zeitpunkt bei ihrem Vater zur Sprache.
Aber auch dieser reagierte durchaus nicht so, wie Alberta es als selbstverständlich erwartet hätte.
»Ja, wirklich? Du hast unseren Kleinen tatsächlich dabei erwischt, wie er die Afra flachgelegt hat? Alle Wetter! Hätt’ ich dem Bengel noch gar nicht zugetraut!«
In Albertas Ohren klang das ausgesprochen anerkennend, zumal der Graf dabei schallend lachte. Als ihm die betretene Miene seiner Ältesten auffiel, wurde er allerdings ein ganz klein wenig verlegen.
»Ja, nun! Dass dir das unrecht vorkommt, mag schon sein! Aber überleg doch mal, was es für ein Glück ist, dass der Knabe normal veranlagt scheint. In manchen Familien geht die Männerliebe geradezu wie eine Seuche um - und darum
bin ich froh, dass ich mir deshalb keine Sorgen machen muss: Unsere Sippe wird nicht aussterben - zumindest nicht in der nächsten Generation.«
Alberta schluckte. »So kann man es natürlich auch sehen«, dachte sie.
»Was die Kirche davon hält, interessiert hier wohl überhaupt keinen!«
Sie nahm sich vor, dieses heikle Thema mit keinem einzigen Wort mehr zu streifen. Sollte ihr frühreifer Bruder doch Bastarde zeugen, so viel er Lust hatte …
KAPITEL 20
5. März 1611, in der Residenz, sieben Uhr am Morgen
»WESHALB WOLLT IHR mich an diesem ungewöhnlichen Ort sprechen, meine Tochter? Warum die Heimlichtuerei?«
Alberta hatte Pater Winfried durch einen Boten in den Grottenhof der Residenz bitten lassen. Durch das beständige Plätschern des Brunnens konnte ein etwaiger Lauscher von dem Gesprochenen mit Sicherheit kein Wort verstehen …
»Was ich Euch zu sagen habe, Pater, unterliegt der absoluten Geheimhaltung.«
Alberta packte den Benediktiner am Ärmel seiner Kutte und zog ihn ganz nahe zu sich heran. Der Mönch war gespannt, was seine Herrin so aus der Fassung brachte. Er positionierte sein rechtes Ohr, auf dem er weit besser hörte als auf dem linken, möglichst nahe an den Mund des »Geheimen Rats«.
»Ach? Seid Ihr ganz sicher?«, fragte er gleich danach.
»Aber ja, Pater. Der Herzog selbst hat es mir heute bei der
morgendlichen Audienz eröffnet. Seine Durchlaucht erwartet meine Anwesenheit während der Zeremonie. Ich bin ganz durcheinander. Wie findet Ihr das?«
»Sehr schmeichelhaft für Euch. Wenn der Fürst Euch nicht so schätzte, könntet Ihr kaum damit rechnen, an diesem Ritus teilnehmen zu dürfen. Auch die Herzogin scheint Euch voll und ganz zu vertrauen.«
»Ich weiß nicht recht, Pater. Wenn ich ehrlich bin, ist mir das Ganze mehr als unangenehm.«
»Aber wieso denn, Alberta? Ihr habt ja nur indirekt damit zu tun, Ihr sollt lediglich Zeuge des Geschehens sein. Den Exorzismus nimmt gewiss ein Kapuzinerpater vor, wahrscheinlich wieder Pater Lorenzo da Brindisi.«
»Ja, richtig, den Namen hat Seine Durchlaucht erwähnt. Der Mönch soll in diesen Dingen sehr erfahren sein und das schon oft gemacht haben.«
»Wo liegt dann Euer Problem?«
»Die Dämonenaustreibung ist mir unheimlich, Pater. Mittels seiner Zaubersprüche und bestimmter Manipulationen, die der Exorzist vornehmen wird, werden teuflische Kräfte freigesetzt, von denen niemand sagen kann, wie sie sich zur Wehr setzen und wen sie sich eventuell als Ersatz aussuchen …«
»So eine Aktion ist immer mit einem gewissen Risiko verbunden, meine Tochter, denn der Satan sträubt sich natürlich, sein Opfer zu verlassen«, dozierte der Benediktiner ohne große Überzeugung; als er sah, dass sein Schützling dennoch erblasste, lenkte er rasch ein: »Aber seid beruhigt, Pater Lorenzo versteht sein Handwerk. Nicht umsonst hat ihn der Heilige Vater dazu ermächtigt, Dämonenbeschwörungen vorzunehmen. Wenn es Euch eine Hilfe ist, werde ich freilich sehen, dass ich Euch begleiten darf.«
Genau das hatte »der Geheime Rat« hören wollen …
»Ja bitte, tut das, Pater! Ich werde Euch brauchen, damit Ihr meine Hand haltet, wenn der Teufel aus der Frau Herzogin
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