Die Hexenadvokatin
berichten. »Als zweiten muss ich Pater Hyazinth von Casale nennen, ferner Pater Valeriano Magno und Alexander von Hales. Alle Patres sind Italiener und werden oft und gerne von Maximilian für politische Missionen eingesetzt. Eine Tatsache, die den meisten, recht weltlich gesinnten bayerischen Geheimräten nicht unbedingt zusagt.« Sie dachte da im Besonderen an die Herren Rechberg, Donnersberg, Gailkircher und Gewold, ihre bürgerlichen Mitstreiter im Geheimen Rat, die ständig die Nasen rümpften, sobald die Namen der Kapuziner auch nur erwähnt wurden.
Ihr Oheim lachte laut und sein Sohn Maurizio äußerte die Vermutung, dass die Herren bloß eifersüchtig seien. »Aber ich könnte mir vorstellen, dass sich die Jesuiten in München auch nicht gerade freuen über die auffallende Bevorzugung der Kapuziner«, sinnierte er weiter. »Das eigentliche Arbeitsgebiet der Jesuiten war doch bisher die Seelsorge für das einfache Volk. Sie sind, soviel ich weiß, beliebte und wortgewaltige Prediger und Volksmissionare. Dass sie eine exzessive Marienverehrung pflegen, macht sie anscheinend bei Herzog Maximilian besonders beliebt - dies und das Münchner Jesuitentheater, das nicht allein vom gesprochenen Wort getragen wird, sondern ebenso von Musik und Tanz, Kostüm und Gebärde. Nicht zu vergessen die raffinierte Bühnentechnik, die alle Grenzen von Raum und Bewegung aufzuheben scheint. Von Jakob Bidermann, einem jesuitischen Gymnasiallehrer, stammt der 1609 uraufgeführte Xenodoxus .«
Alberta war immer wieder erstaunt, wie gut man jenseits der Alpen über bayerische Angelegenheiten Bescheid wusste.
»Eine großartige Tragödie«, bemerkte sie, »es ist die Geschichte von Xenodoxus aus Paris, der schon zu Lebzeiten als Heiliger gilt und am Schluss doch verdammt wird, denn sein Lebenswerk wird von Gott nicht anerkannt, da nur eitle Selbstgefälligkeit dahintersteckt.
Aber der eigentliche Grund, weswegen meine Anwesenheit in München baldmöglichst erwünscht wird, ist noch ein ganz anderer«, knüpfte sie wieder an das Thema ihrer übereilten Abreise an. »Pater Winfried machte nur eine vage Andeutung, schweigt ansonsten jedoch darüber. Der Herzog will es angeblich so. Seine Durchlaucht neigt von Natur aus zur Geheimniskrämerei.«
Albertas Verwandte nickten gedankenvoll. In ganz Europa wusste man Bescheid über den misstrauischen und übervorsichtigen
Charakter Maximilians. Dieser ließ ihn des Öfteren als Zauderer erscheinen, dem nicht klar war, was er zu tun hatte. Damit hatte der Herzog - der in aller Regel nur zu genau wusste, was er wollte - schon so manchen getäuscht …
Er zögerte oft so lange, bis ein anderer vorpreschte und sich anschickte, die Kastanien aus dem Feuer zu holen. Zeitigte die Aktion ein positives Ergebnis, stellte sich Maximilian sofort auf die Seite des Erfolgreichen - ja, nicht selten behauptete er dann unverfroren, selbst der Initiator gewesen zu sein. War dem anderen hingegen ein Misserfolg beschieden, hielt er sich weiter bedeckt im Hintergrund. Der Herzog ersparte sich damit nicht nur die Blamage, sondern erwarb sich gar den Ruf, besonders vorausschauend zu sein.
Die Familie spekulierte noch eine ganze Weile darüber, welche Aufgabe der Herzog seinem Geheimen Rat wohl dieses Mal zugedacht hatte - ohne allerdings zu einem Ergebnis zu gelangen. Alberta, die gerade begonnen hatte, sich ein wenig zu erholen, standen mit einem Mal wieder in erschreckender Deutlichkeit die Hexenprozesse vor Augen. Ihr wurde schwer ums Herz, als sie die nötigen Reisevorbereitungen traf.
KAPITEL 23
20. Juli 1611, in der herzoglichen Residenz
GRÄFIN ALBERTA SAH dem Treffen mit ihrem Landesherrn mit einiger Spannung entgegen. Immerhin hatte sie inzwischen erfahren, dass es sich dieses Mal nicht um einen Hexenprozess handelte - das hatte Pater Winfried bereits in Erfahrung
gebracht. Das allein war wichtig für Alberta, alles andere würde sie mit Gottes Hilfe schon irgendwie meistern. Um den Herzog nicht zu verstimmen, hatte sie ihre bunten Gewänder wieder zuunterst in den Kleidertruhen versenkt und war in die übliche »Trauertracht« geschlüpft.
Der Empfang bei Maximilian gestaltete sich sehr freundlich; auch die Herzogin war dieses Mal anwesend. Die junge Frau dachte daran, wie sie die Fürstin zuletzt gesehen hatte: Mit aufgelöstem Haar, bebend vor Angst, im zerknitterten Nachtgewand, weinend und jammernd …
Und wozu das Ganze? War sie etwa Mutter geworden nach der schrecklichen Prozedur?
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