Die Hexenadvokatin
Pater Winfried würde aus allen Wolken fallen, falls er jemals davon erführe …
Außerdem hatte sie den Freiherrn von Herzen gern: Seine gelassene, heitere Wesensart, sein Humor, seine Intelligenz und Bildung, das Unverkrampfte und Geradlinige seines Denkens - und nicht zu vergessen, sein markantes männliches Aussehen hatten es der jungen Frau angetan. Die Wahrheit war, dass ihr der Baron von Hochfelln-Tausch nicht mehr aus dem Kopf ging …
Die jungen Leute sagten sich Adieu auf »markigmännliche Weise«, indem sie sich kurz umarmten und gegenseitig kräftig auf die Schultern klopften. Nur keine Sentimentalitäten! Aber man tauschte Adressen aus, versprach sich zu schreiben und bei Gelegenheit den anderen zu besuchen. Womöglich traf man sich ja per Zufall wieder einmal irgendwo?
Sicher, sie hatten sich angefreundet, aber ihre Bekanntschaft war eine sehr kurze und erst die Zeit würde es mit sich bringen, ob die gegenseitige Sympathie groß genug war, um irgendwann ein neues Treffen zu vereinbaren.
Die Gräfin zu Mangfall-Pechstein seufzte schwer. Sie hatte gerade einmal zwei Wochen bei ihrem Oheim, dem Conte Serafino D’Annunzio-Malvi, und seiner Gemahlin Paolina verbracht, als sie ein Schreiben Pater Winfrieds erreichte. Es war ihr von Venedig aus hinterhergeschickt worden, hatte sie doch die Lagunenstadt früher verlassen, als mit dem Pater abgesprochen war. In dem Brief wurde sie mehr oder minder ultimativ aufgefordert, umgehend die Heimkehr nach München anzutreten.
»Seine Durchlaucht, Herzog Maximilian von Bayern, verlangt nach mir. Offenbar bedarf er meiner in einer heiklen Angelegenheit. Seine Durchlaucht bittet mich außerdem, auf meinem Nachhauseweg den Weg über Salzburg zu nehmen.
Er hat durch mich bereits im vorigen Jahr vom Domkapitel Reliquien der Salzburger Heiligen Virgil und Rupert erworben. Diese soll ich nun dort abholen und in die Residenz nach München mitbringen«, erklärte Alberta ihren Verwandten, sobald sie die Lektüre des Briefes beendet hatte.
»Oh!«, hauchte ihre angeheiratete Muhme, Donna Paolina, mit Ehrfurcht in der Stimme. »Der heilige Rupert ist ja Euer Namenspatron, Neffe. Da müsst Ihr ganz besonders sorgsam mit seiner Reliquie umgehen.«
»Aber das allein rechtfertigt doch noch nicht deine sofortige Rückkehr nach Bayern, oder?«, erkundigte sich Albertas Onkel. »Die Gebeine der zwei Heiligen können doch auch noch ein paar Tage länger wohlverwahrt in Salzburg liegen bleiben.«
»Das wohl, Oheim Serafino. Aber mein väterlicher Freund, Pater Winfried, schreibt ferner, dass der Herzog im kommenden Jahr in Straubing ein weiteres Kapuzinerkloster zu gründen gedenkt, nachdem das erste dieser Art seit dem Jahre 1610 in Landshut so erfolgreich ist. Seine Durchlaucht meint, es sei höchste Zeit, ein entsprechendes Gelände auszuwählen und die notwendigen Verkaufsverhandlungen mit dem Besitzer des Grundstücks zu führen. Der Fürst will mich dazu unbedingt als Unterhändler haben.«
»Welch Ehre, mein Junge.« Der Conte lachte gutmütig. »Ich habe noch nicht sehr viel über diese Kapuziner gehört, du etwa?«
»Ich weiß nur, dass Herr Maximilian bereits im Jahre 1600 die ersten Angehörigen dieses Ordens, zumeist Italiener, nach
München berufen hat. Bereits zwei Jahre später übergab man ihnen außerhalb des Mauerrings ein Kloster, und zwar in der Nähe jenes Schlosses, das Herzog Wilhelm sich als seinen Alterssitz hat bauen lassen.
Maximilian selbst hat damals dem Exorzisten, Pater Lorenzo da Brindisi - der diesem Reformorden der Franziskaner angehört und den viele bereits zu seinen Lebzeiten als einen Heiligen ansehen -, als Ministrant bei der heiligen Messe gedient. Und später hat er den Patres für ihre Klosterkirche ein schönes Altarbild der Heiligen Familie, gemalt von Peter Candid, gestiftet.«
»Dieser Lorenzo da Brindisi ist auch uns ein Begriff, was seinen heiligen Lebenswandel, sein breitgefächertes Wissen und vor allem seine Kenntnis in Dämonologie angeht«, meldete sich ein Vetter der Gräfin Alberta zu Wort. Der junge Mann, Conte Maurizio, jüngster Sohn der Familie D’Annunzio-Malvi, sollte in Kürze die Weihen eines Jesuitenmönchs erhalten. Er hatte etliche Jahre im spanischen Valencia studiert und seine Familie erhoffte sich eine steile Karriere für den Siebenundzwanzigjährigen.
»Außer Pater Lorenzo haben noch andere Kapuzinermönche großen Einfluss auf den Herzog«, wusste Alberta den interessiert Lauschenden zu
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