Die Hexenadvokatin
Weiberröcken her war, entpuppte
sie sich als missmutige, bissige und scharfzüngige Matrone, die ihrem Gatten das Leben schwermachte. Alle Aristokraten Europas - sogar der Heilige Vater - hatten sich darüber amüsiert, als die französische Königin ihrem untreuen Gemahl wenig damenhaft »elender Hurenbock« in den Gängen des Louvre hinterhergebrüllt hatte …
Vor zwei Jahren war König Heinrich von einem Attentäter ermordet worden und es gab nicht wenige Stimmen, die behaupteten, Maria habe dabei ihre Finger im Spiel gehabt.
Sich diese nicht sehr liebenswürdige Dame als Landesmutter von Bayern vorzustellen, fiel Alberta in der Tat sehr schwer. Sie verscheuchte energisch ihre erneut abschweifenden Gedanken und konzentrierte sich auf den Herzog. Unwillkürlich lief ihr ein Schauer über den Rücken.
»Lieber Gott, bloß kein weiterer Exorzismus, an dem ich als Zeugin teilnehmen muss«, dachte sie panisch. Aber diese Furcht war zum Glück überflüssig. Es war etwas ganz anderes, was den Herzog dieses Mal beschäftigte.
Aber noch war er nicht bereit, darüber zu sprechen. Stattdessen berichtete er Alberta lang und breit über den endlich fertiggestellten Residenzturm und zeigte der jungen Frau die Pläne für den Hofgarten, der vollkommen neu angelegt werden sollte, ferner diejenigen für den »Kaiserhof« sowie für den Hofgartentempel mit einer allegorischen Figur der Patrona Bavaria als Krönung auf seinem Dach.
»Außerdem wünsche ich mir am östlichen Ende des Hofgartens ein kleines Gartenschlösschen«, führte der Herzog weiter aus.
Wiederum legte Maximilian der Gräfin verschiedene Zeichnungen vor. Interessiert beugte die sich über den Tisch, wo ein Diener auf Geheiß des Herzogs die großflächigen Pergamente ausgebreitet hatte, deren unterer Rand jeweils in der Handschrift
des Herzogs von einem »nihil obstat!« (»keine Einwände!«) gekennzeichnet war.
Laut tat Alberta ihre Bewunderung über die Entwürfe kund. Sie brauchte sich dabei keineswegs zu verstellen; die Pläne waren in der Tat vorzüglich. München schickte sich an, die alte Zeit endgültig abzustreifen und eine der städtebaulich schönsten Metropolen Europas zu werden.
Dazu hatte bereits der frühere Herzog Wilhelm V. das Seinige beigetragen, indem er den Baumeister Sustris beauftragt hatte, an der Neuhauser Straße die Michaelskirche sowie den monumentalen Bau des Jesuitenkollegs zu errichten, dessen Größe und Anzahl der Fenster mit dem spanischen Escorial wetteifern konnte.
»Aber ich denke nicht nur an meine Residenz«, sagte der Herzog beinahe verschämt und gab dem Domestiken einen Wink, die Pläne wieder sorgfältig zusammenzurollen.
»Die Sicherheit meiner Hauptstadt liegt mir genauso am Herzen. Eine der Hauptaufgaben meiner Regierung wird es daher in den nächsten Jahren sein, die Stadtbefestigung Münchens zu erneuern. Meine Vorgänger haben diesem Punkt viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt.«
Darüber verwunderte sich »der Geheime Rat«. Es stimmte ja, die Stadtmauern mit ihren vielen Türmen waren teils marode, teils viel zu niedrig, um im Ernstfall der Bevölkerung, die ungefähr 20 000 Seelen zählte, wirksamen Schutz zu bieten. Aber woher in aller Welt sollte ein feindlicher Angriff drohen?
Der Türkengefahr war man schließlich erfolgreich entgegengetreten und die Osmanen hatte man in der großen Schlacht bei Lepanto im Jahre 1571 vorerst zurückgedrängt.
Wer sollte Bayern also angreifen? Frankreich war mit seinen eigenen Problemen - sprich mit den protestantischen Hugenotten
- beschäftigt, denen der ermordete Heinrich IV. viel zu viele Rechte zugesichert hatte.
Und innerhalb des Reiches? Nun ja, die protestantischen Fürsten waren lästig, aber dafür hatte man die katholische Liga gegründet, um sie einigermaßen in Schach zu halten. Mit Österreich hatte man so gut wie keine Schwierigkeiten und mit dem Papst und dem übrigen Italien lebte man in gutem bis leidlichem Einvernehmen.
Die junge Gräfin vermochte beim besten Willen keinen ernstzunehmenden Feind auszumachen, der München tatsächlich bedrohte. Aber wenn der Herzog der Meinung war, eine effektive Befestigung für seine Hauptstadt anordnen zu müssen, würde er das auf alle Fälle tun - auch wenn einiges dagegensprach.
Im Geiste überschlug Alberta allein die Kosten für die benötigten Grundstücke, die man für eine Erweiterung der Anlage aufkaufen müsste und kam auf etwa 25 000 bis 30 000 Gulden. Auch eine Menge an Arbeitskräften
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