Die Hexenadvokatin
seinem Ältesten, dem er den nicht gerade katholisch anmutenden Namen Hercules gegeben hatte …
Die schamlose Lebensführung des hohen Geistlichen, gepaart mit seiner laxen christlichen Haltung, sowie seiner Weigerung, der katholischen, von Maximilian gegründeten Liga beizutreten, waren in den Augen des Bayernherzogs geeignet, das Fass zum Überlaufen zu bringen. Es ging sogar das Gerücht, der Erzbischof plane seine Konversion zum Protestantismus …
Herzog Maximilian hatte lediglich auf den richtigen Moment gewartet, wann er dem anderen den Dolchstoß versetzen
konnte. Und um diesen günstigen Augenblick zu beschleunigen, hatte er 1610 seinen neu ernannten »Geheimen Rat Rupert zu Mangfall-Pechstein« als Spion nach Salzburg geschickt.
Alberta sollte heimlich »Erkundigungen« einholen bezüglich der moralischen Verfehlungen des Kirchenmannes. Dass dieser ohne Skrupel mit einem Weib zusammenlebte, war weder neu noch ungewöhnlich; das taten viele Geistliche - auch Bischöfe und Erzbischöfe. Die meisten jedoch trugen Sorge, dass dies nur einem kleinen, ausgewählten Kreis bekannt wurde.
Maximilian kam es darauf an, Beweise in die Hand zu bekommen, dass Herr von Raitenau seinen Untertanen ein schlechtes Beispiel gebe, indem er etwa vor Publikum Salome umarme oder küsse, sich mit seinen zahlreichen Bastarden zusammen in der Öffentlichkeit sehen lasse oder sich nicht an die Kirchengebote bezüglich des Fastens und der Anzahl der zu absolvierenden Messfeiern halte.
Alberta war auch sehr eifrig gewesen und hatte einen ganzen Katalog von sittlichen Verfehlungen und moralischen Untugenden des Erzbischofs zusammengetragen, darunter eine Reihe seiner scharfzüngigen Kommentare, mit denen sich der humanistisch umfassend gebildete Wolf Dietrich über den Papst, die Kurie und die katholische Kirche lustig zu machen pflegte.
Die Früchte dieser Spionagetätigkeit hatten Maximilian seinerzeit förmlich einen Freudenschrei entlockt: »Damit kann ich dem Raitenau seine Ernennung zum Kardinal endgültig versalzen!«
Vom Heiligen Vater ins Kardinalskollegium aufgenommen zu werden, war nämlich des Erzbischofs größter Wunsch. Trotz seines pikanten Rufs erfreute sich der Raitenau in Rom zahlreicher
einflussreicher Freunde, die ihn dem Papst für dieses hohe Amt ans Herz gelegt hatten.
Alberta war damals zwar stolz auf das Lob ihres Landesherrn, das er ihr reichlich zuteilwerden ließ, aber andererseits fühlte sie sich dabei auch sehr schlecht. Immerhin hatte sie die arglose Gastfreundschaft dieses großzügigen Mannes - zur Hälfte italienisch wie sie selbst - schamlos missbraucht. Zudem hatte sie so mancher Kommentar des streitbaren Geistlichen an ihren obrigkeitskritischen Vater erinnert …
KAPITEL 27
10. August 1611, auf Schloss Mangfall-Pechstein
GRAF WOLFGANG FRIEDRICH las den Brief Albertas, den diese im Anschluss an ihren Besuch in Salzburg geschrieben hatte, seiner Gemahlin Eleonora vor. Er konnte dabei seine Genugtuung über den Widerstand des Salzburger Erzbischofs gegen die zahlreichen Anmaßungen Maximilians nicht verhehlen.
»Mir scheint, mein Lieber, Ihr seht mit gewissem Wohlgefallen, dass Wolf Dietrich sich der Bitte unseres Herzogs, der Liga beizutreten, verweigert. Ich vermag das nicht ganz zu verstehen, Caro! Es geht doch um den Sieg der katholischen Kirche gegen die ketzerischen Protestanten, oder etwa nicht?
Da müsste es sich ein Erzbischof doch erst recht angelegen sein lassen, alles für den Ruhm und die Macht der römischen Kirche zu tun - oder irre ich mich da?«, wandte Eleonora ein.
Ihr Gemahl lachte unbändig. »Ihr lasst viel zu stark Eure Gefühle sprechen, Carissima. Das ist eben hohe Politik! Ich
jedenfalls finde es nicht schlecht, dass einer da ist, der dafür sorgt, dass die Bäume unseres hochfahrenden Verwandten nicht in den Himmel wachsen.«
Auf den verständnislosen Blick seiner Frau hin fasste er diese vertraulich am Ärmel und führte sie zu einem der bodenlangen Fenster des Salons, die auf den Park mit dem großen Teich hinausschauten. Jenseits der hohen Bäume waren die Spitzen jener Berge zu sehen, deren Höhen einst Rupert so leidenschaftlich erklommen hatte.
»Ihr wisst doch auch, Liebste, dass mein Vetter seine Nase zuweilen recht hoch trägt. Nun, diesen Hochmut hat er von seinen Wittelsbacher Vorfahren geerbt. Allein schon der Titel ›Durchlaucht‹!«
»Was ist damit, Caro?«
Die Gräfin hatte sich darüber noch niemals Gedanken gemacht. Es war üblich,
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