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Die Hexenadvokatin

Die Hexenadvokatin

Titel: Die Hexenadvokatin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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und ihrem Mann im Salon.

    Ihr Gemahl blickte noch eine Weile sinnend über die herrliche Landschaft. Dann wandte er sich seiner Frau zu. »Wer weiß, Liebste, was die Zukunft für unseren Sprössling noch alles bereithält. Sie ist noch so jung. Und wie schnell kann sich so manches, das man für alle Zeiten gültig hielt, ändern?«
    »Ja, so sagt man im Allgemeinen, Wolfgang Friedrich.« Die Gräfin sah ihn plötzlich forschend an. Die Stimme ihres Gatten hatte so seltsam geklungen. »Sagt, habt Ihr irgendeinen Grund für Eure beinahe prophetisch anmutenden Worte, Caro?«
    Albertas Vater zuckte daraufhin nur mit den Achseln und wehrte leichthin ab: »Nein, nein, Liebste. Leider ist auch mir, wie allen Sterblichen, die Zukunft verborgen.«
    Dass dies nur die halbe Wahrheit war, sollte die Gräfin erst nach geraumer Zeit gewahr werden.
     
     
     
    18. August 1611, in der Münchener Residenz
     
    Noch vor Morgengrauen pflegten die Kämmerer das Schlafgemach des Herzogs aufzusuchen. Der Oberstkämmerer, der zugleich das Amt des Hofratspräsidenten innehatte, Freiherr Wolf Konrad von Rechberg, trat, in spanische Hoftracht gekleidet, den Mantel zurückgeschlagen, den Degen umgeschnallt, ans Bett seines Herrn und weckte ihn mit der üblichen Begrüßungsformel.
    Maximilian erhob sich daraufhin und einer der Kammerdiener reichte dem Freiherrn ein frisches Hemd, das dieser mit einer vorgeschriebenen Floskel an den Herzog weitergab, seinerseits dessen abgestreiftes Nachthemd in Empfang nehmend.
    Im Schlafzimmer war es zu dieser Tageszeit noch angenehm kühl, erst in einigen Stunden würde die sengende Augusthitze
auf die Stadt herniederbrennen. Da der Herzog aber auch im Sommer leicht fror, übergab ihm nun der Oberstkämmerer ein wollenes Überhemd.
    Gleich darauf trat von Rechberg einige Schritte zurück, da sich der herzogliche Leibbarbier und ein Kammerdiener in demütig gebückter Haltung dem Fürsten näherten. Der Barbier rieb mit feuchten Tüchern Maximilians Gesicht sowie Arme und Beine ab, ehe er ihm leinene Socken, darüber Strümpfe aus Seide, Hosen und Schuhe anlegte. Je nach dem, was Seine Durchlaucht zu unternehmen gedachte, waren es entweder Stiefel oder Pantoffeln.
    Anschließend stellte einer der Kämmerer, meist der Oberststallmeister Astor Leoncelli oder der Gardehauptmann Giulio Cesare Crivelli, das von einem Diener dargereichte Wasserbecken auf eine hierfür vorgesehene Kommode. Ein weiterer Kammerdiener erschien nun mit dem Mundwasser, der Leibbarbier mit dem Zahnpulver, und beides wurde dem Hofratspräsidenten übergeben, der inzwischen das Haupthaar des Herzogs mit dem für diesen Zweck vorgeschriebenen Tuch bedeckt hatte. Der Freiherr von Rechberg kredenzte nun beides feierlich dem Herzog.
    Jede einzelne Bewegung glich einer sorgfältig einstudierten Choreographie; jede Handreichung und jedes Wort waren in umfangreichen Instruktionen bis ins Detail vorgeschrieben, nichts blieb dem Zufall überlassen. Wie fast an allen europäischen Höfen ahmte man auch in München das Zeremoniell des spanischen Königshofes nach, das in Fragen der Etikette als maßgeblich galt.
     
    Nachdem Alberta zum ersten Mal die große Ehre widerfahren war, dem »Lever« des Herzogs beiwohnen zu dürfen, hatte sie - leicht verwirrt - Folgendes nach Hause geschrieben:

    »Die Szenerie war überaus beeindruckend, aber auch seltsam unwirklich. Sie dünkte mich beinah wie ein oft gespieltes Mysterienstück. Irgendwie wirkte sie - bei allem Ernst und aller Erhabenheit - gestelzt und gekünstelt. Der monumentale Geist Spaniens durchwehte das herzogliche Gemach.«
    Spanischer Geschmack bestimmte in der Tat die Mode, die Literatur, die Diplomatie, die Umgangsformen, die Malerei - ja, sogar die Kunst der Kriegsführung. Unter den Gebildeten am Münchner Hof herrschte ganz allgemein eine Tendenz zur Hispanisierung, verbunden mit einer politischen Hinwendung zum mächtigsten Verbündeten des Heiligen Vaters.
    »Die in Bayern praktizierte Gegenreformation folgt spanischem Vorbild«, hatte Pater Winfried seinem Schützling klargemacht. »Das erklärt ihren Fanatismus und ihre Grausamkeiten; ja selbst die eigenartige Verbindung von protzendem Pomp und Prunk mit Kasteiung und Askese findet darin ihre Ursache. Es ist auch beileibe kein Zufall, dass sich die Herzöge Bayerns zur Durchsetzung ihrer Politik im Inneren eines spanischen Ordens, nämlich der Jesuiten, bedienen.«
    Die junge Gräfin vermutete im Stillen, dass ihr Mentor bloß

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