Die Hexenadvokatin
solchem brachte er ihr Empfindungen entgegen.
Niemals durfte er erfahren, was es mit ihrer wahren Identität auf sich hatte. Vorbei die Träume, denen sich die junge Edeldame bisweilen hingab, wenn sie sich des Nachts ausmalte, wie es wohl wäre, wenn …
Seit sie im Pferdestall ihren Bruder mit der willfährigen Magd überrascht und miterlebt hatte, mit welcher Inbrunst der Jüngling sich mit der Frau vereinigte und mit welch großem Entzücken beide dem Höhepunkt ihrer lustvollen Umschlingung
entgegenfieberten, seitdem waren ihre Nächte sehr unruhig geworden. Die sündhaft-köstliche Vorstellung, wie »es« mit Albrecht sein könnte, schmerzte beinahe.
Gewaltsam unterdrückte Alberta die unkeuschen und daher sündigen Gedanken. Um ihre Betroffenheit zu überspielen, widmete sie sich der Schönheit des Porträts und begann mit ihrem Vater eine Diskussion über die unbestrittenen Qualitäten Albrecht Dürers.
26. Juli 1611, bei Herzog Maximilian in der Residenz
»Schön, dass Ihr endlich kommen konntet, Vetter! Eure charmante Gemahlin ist wie immer eine Augenweide. Ich befürchtete schon, ich hätte versehentlich Euren Unwillen erregt, weil Ihr Euch gar nicht mehr in München sehen ließt. Hoffentlich tragt Ihr mir nicht nach, verehrte Gräfin, dass ich Euren Sohn so sehr in Beschlag nehme«, wandte Maximilian sich in schmeichlerischem Tonfall an Albertas Mutter.
Der Herzog war um freundliche Konversation bemüht. In Wahrheit war er verärgert darüber, dass sich der Graf zu Mangfall-Pechstein in der Residenz so rar machte. Für den misstrauischen Charakter Maximilians roch das verdammt nach Widerstand und Auflehnung …
»Ihr wisst, Vetter, dass ich niemandem Honig ums Maul schmiere.« Der Graf befleißigte sich seiner üblichen direkten Art. »Und so sage ich Euch auch ganz frei heraus, dass ich wütend war und bin über die willkürliche Entführung der Tochter des Präzeptors meiner jüngeren Kinder. Mit Vorbedacht hatte man abgewartet, bis ich in Italien war, um die junge Frau nach München zu verschleppen.«
»Ach! Ihr sprecht bestimmt von der unseligen Jungfer Freda
von Hoferichter! Ein tragischer Fall, gewiss. Wer hätte geahnt, dass sich das junge Weib so weit von seinem christlichen Glauben entfernt hatte und sich selbst den Tod gab? Tragisch fürwahr. Auch meine Gemahlin, die erlauchte Herzogin, hat lebhaften Anteil am Schicksal der Unglücklichen genommen. Ich habe eine Messe für der Jungfer Seelenheil lesen lassen«, entgegnete der Herzog ungerührt und ganz im Tonfall einer leichten, angeregten Konversation.
»Verbindlichsten Dank dafür, Herzog.«
Wieder einmal war Wolfgang Friedrich sowohl verblüfft als auch verstimmt über die geschickte Art des Herzogs, von einer Sache, die ihm nicht passte, abzulenken. Mit keiner Silbe war der Fürst auf die massiven Vorwürfe eingegangen. Sie erneut zur Sprache zu bringen, gelang dem Grafen nicht, da Maximilian sich bereits einer anderen Sache widmete.
»Ich muss Euch und der Gräfin etwas zeigen! Kommt mit mir in mein Kunstkabinett, Vetter, wo die Werke lagern, die Euer Sohn für mich aus Venedig mitgebracht hat. Ich und die Herzogin waren einfach entzückt. Außerdem habe ich eine weitere Neuerwerbung, welche ich Euch zu beurteilen bitte.«
Jedermann wusste, wie eitel Maximilian war. Kein Fürst ließ sich so oft porträtieren wie er. Wie seine Gäste bereits vermutet hatten, war es wiederum ein Bildnis des Herzogs, das im Nebenzimmer aus einem reich verzierten Goldrahmen auf die Betrachter herunterstarrte.
Es zeigte nicht bloß Kopf und Schultern, sondern den ganzen Körper des Bayernfürsten. Dass dieser nur von mittlerer, sogar eher kleiner Gestalt war, war nicht zu erkennen, weil er allein dargestellt war und somit Vergleichsmöglichkeiten fehlten. Das Ebenmaß der Gesichtszüge und die Herrscherwürde des Porträtierten waren beeindruckend getroffen.
Die schwächlichen Beine Maximilians mit den dünnen Waden
hatte der Maler geschickt unter dem üppigen Faltenwurf eines langen Reitmantels versteckt. Die Brust des Herzogs bedeckte ein silberner Harnisch mit dem eingeprägten Bild der Jungfrau Maria und ein reich verzierter Prunkhelm war auf einem Tischchen daneben abgelegt. In der Rechten hielt er den mit Edelsteinen besetzten Griff eines Schwertes.
Maximilian bevorzugte diese Art der Darstellung: Obwohl alles andere als ein Kriegsheld, liebte er es, als solcher auf der Leinwand verewigt zu sein. Dem Betrachter blickte er
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