Die Hexenadvokatin
Beleidigung; entsprechend hart und unerbittlich pflegte er diese Vergehen zu ahnden, ohne Ansehen der Person.
KAPITEL 28
29. August 1611, auf Schloss Pechstein
»MEIN FREUND, ICH bitte Euch, Ihr müsst nach München reisen!«
Der Freiherr Bernhard zu Jetzenbach ersuchte seinen Nachbarn und besten Freund, den Grafen Wolfgang Friedrich, inständig um dessen Anwesenheit in der Landeshauptstadt.
»Glaubt Ihr nicht, Ihr übertreibt etwas?«, erkundigte sich der Graf und stopfte sich eine Pfeife - ein Laster, importiert aus Übersee, das seine Gemahlin ob des Geruchs in ihren Wohnräumen nicht duldete.
Die Herren saßen in der gräflichen Jagdhütte oberhalb von Unterwössen beisammen und erwarteten das Eintreffen einer Handvoll weiterer guter Bekannter, um die Modalitäten der in einem Monat beginnenden herbstlichen Jagdsaison zu besprechen.
»Der Himmel weiß, Graf, dass ich niemals übertreibe! Während Ihr hier ruhig auf Eurem Schloss in den Bergen sitzt,
braut sich in München allerhand Unheil über Eurem Sohn zusammen. Zumindest wird versucht, eine Phalanx gegen den in Italien weilenden Geheimen Rat Seiner Durchlaucht aufzubauen.«
»Aber, warum? Womit könnte sich denn mein Ältester die Feindschaft dieser Leute zugezogen haben?«
»Ich bitte Euch, lieber Freund! Da braucht es wahrlich nicht viel. Es genügt allein die Tatsache, dass der junge Graf das Wohlwollen Seiner Durchlaucht, des Herzogs, genießt und für die meisten überraschend schnell die Karriereleiter emporgeklettert ist.
Um Neid zu erregen, reicht es völlig aus, dass Maximilian ihn zum Sitzen auffordert, während er seine Berichte anhört. Die anderen Geheimräte pflegen in aller Regel ihre Memoranden stehend zu übergeben und während sie Durchlauchts Befehle entgegennehmen, werden ihnen die Beine schwer. Des Weiteren darf er des Öfteren beim morgendlichen Lever des Herzogs anwesend sein.«
»Nur ein einziges Mal«, widersprach Albertas Vater. Sein Freund zuckte mit den Schultern. Auf Details kam es den Neidern nun wirklich nicht an …
»Und die Sondermissionen, mit denen unser Landesherr den jungen Mann bisher betraut hat, lassen manch einem Altgedienten vor Wut die Galle überlaufen«, fuhr zu Jetzenbach fort. »Überall sehen die Missgünstigen die Bevormundung Eures Sprösslings.
Ich vermute, dass es eine ganze Gruppe ist, die Eurem Sohn schaden will. Sie haben gewartet, bis Rupert weit weg in Italien ist, um ihre Kabale gegen ihn anzuzetteln. Und im geeigneten Augenblick werden sie dann richtig losschlagen.«
Der alte Graf schüttelte den mittlerweile völlig ergrauten Kopf. Dann zog er probeweise an seiner Pfeife.
»Hm. Was Ihr da sagt, klingt wirklich nicht gut. Ich frage mich nur, was diese Neidhammel eigentlich gegen meinen Sohn vorbringen wollen. Ja, wenn es sich um mich handeln würde, könnte ich es noch verstehen. Ich habe in meinem Leben dem ein oder anderen schon genug Anlass geboten, sich schwarzzuärgern - aber mein Junge? Der ist doch harmlos und tut keiner Fliege etwas zuleide.«
»Soweit ich in Erfahrung bringen konnte, hat man einen der Diener in Eurem Münchner Palais bestochen. Und dieser verräterische Hund hat herumspioniert und Gespräche mit angehört, die Euer Sohn und dieser Benediktinerpater geführt haben.
Angeblich hat der Mann - Peter Frick soll er heißen - alles brühwarm einem missgünstigen Hofrat erzählt; und der will nun Eurem Ältesten einen Strick aus dem Gehörten drehen. Wie ich erfahren habe, wartet dieser Herr bloß noch den passenden Augenblick ab, um den Herzog von den ›despektierlichen und ketzerischen Reden‹ seines Protégés in Kenntnis zu setzen.«
»Oha! Ein Spitzel in meinem Haus! Ein verdammter Verräter! Das erfordert allerdings meine Anwesenheit in München. Sofort werde ich aufbrechen und aufräumen mit diesem Natterngezücht. Wer weiß, wer sonst noch alles meinem Sohn ein Bein stellen will! Aber jeder, der das hinterrücks versucht, soll sich ja warm anziehen! Euch aber, liebster und bester Freund, Euch danke ich tausendmal für die Warnung.«
31. August 1611, im Palais Mangfall-Pechstein in München
Peter Frick, ein etwa fünfundzwanzig Jahre alter Bursche, gebürtig aus einem winzigen Weiler bei Landshut, beeilte sich, dem alten Grafen ein Seidel Bier aus einem Zweiliterkrug einzuschenken,
den er extra aus dem herzoglichen Brauhaus geholt hatte. Wie immer zeigte gerade dieser Mann eine Dienstbeflissenheit, die andere Domestiken beizeiten
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