Die Hexenmeister
Scotto!«
»Bene.«
Der Killer wußte, was er zu tun hatte. Er schlug einen Bogen, um nicht in die Schußlinie hineinzugeraten, gelangte hinter den Altar und grinste uns kalt an.
Mir schoß in diesem Augenblick ein Vergleich durch den Kopf. Als hätte sich der Teufel in Scottos Gestalt Zeit genommen, um der Kirche einen Besuch abzustatten.
Dieser Killer sah so sicher aus. Er zielte auf uns, aber eine Hand hatte er frei.
Mit der räumte er die Kerzen zur Seite. Wir schauten zu, wie sie zu Boden fielen und noch ein Stück zur Seite rollten. Dann schleuderte er das Kreuz weg.
Neben mir zuckte Testi zusammen. Auch ich spürte, wie sich ein Kloß im Magen bildete.
»Frei zum Sterben!« flüsterte Rosati. »Los, geht hin. Aber schnell, ihr beiden verdammten Bullen!«
Ich wartete noch und fragte: »Was geschieht dann? Kannst du mir das sagen?«
»Ja. Hinlegen, auf den Altar!« Er lachte und fand sich wohl komisch dabei.
Neben mir knirschte Testi mit den Zähnen. Auch er erstickte fast an seiner Wut. Er sah aus, als wollte er jeden Augenblick herumfahren und seine Waffen ziehen.
Doch er tat nichts.
Ich drehte den Kopf. Mein Blick erwischte Rosatis Gesicht. Es sah aus wie eine kalte Maske. Ohne Gefühl, nur Mordlust in den Augen. Dieser Mensch widerte mich an. Hier hatte der Teufel so etwas wie sein Ebenbild gefunden.
»Geht schon!« flüsterte Rosati scharf. »Wir wollen nicht mehr länger warten!«
Testi räusperte sich, er hob seine Augenbrauen, der Bart auf der Oberlippe zitterte. Was sein Blick bedeutete, konnte ich mir denken.
Versuchen wir es, oder versuchen wir es nicht?
Ich sah keine Chance, deshalb schüttelte ich leicht den Kopf.
Hinter mir lachte der Killer. »Nein, Bulle aus London, du wirst nichts mehr erleben. Dein Weg ist hier zu Ende. Du wirst satt ins Jenseits segeln, du wirst…«
»Sei ruhig!« keuchte Testi.
»Angst?«
Die beiden sprachen noch. Ich hielt den Blick nach vorn gerichtet und schaute über den Altar hinweg. Dahinter stand Scotto. Er hielt seine Kanone in der rechten Hand. Die Mündung zeigte über die Platte hinweg auf mich.
Da traf er immer. Auf die Distanz konnte er nicht vorbeischießen.
Ich ging auf den Altar zu.
Ich wußte nicht, wie sie es machen wollten. Wahrscheinlich schössen sie zugleich.
Rosati feuerte in Testis Rücken, mir würde Scotto in die Brust schießen.
Damit war es dann aus!
Plötzlich kam mir der Gedanke. Und er brachte mich erst jetzt darauf, wie nahe ich dem Tod war. Eine Kugel würde reichen. All das, was Dämonen und selbst der Teufel nicht geschafft hatten, würde diesem verfluchten Mafia-Killer gelingen.
Die Kälte auf meinem Rücken wurde zu Eis.
»Geht weiter, ihr…«
Rosati verstummte. Ebenso wie wir hatte auch er das Singen gehört. Es war ein Gesang, der von irgendwoher kam.
Aber wer sang?
»Verdammt, was ist das?« Auch Scotto war nervös geworden. Den Kopf bewegte er nicht, nur seine Augen, und er schielte in verschiedene Richtungen, was schon einer Kunst gleichkam.
Der Gesang aber blieb…
War er bereits die für uns bestimmte Totenmelodie, die wir auf dem Weg ins Jenseits hörten?
Der Gesang klang überirdisch, so engelhaft rein, und genau das mußte es sein.
Engelhaft!
Ich dachte an Maria, um die sich schließlich alles drehte. Aber sie war keine Lichtgestalt mehr, sie konnte nicht mehr eingreifen. Da mußten andere Kräfte im Spiel sein.
Ich schaute mich um.
Rosatis Gesicht war verzerrt. Er fluchte leise. Dann trat er mit dem Fuß auf.
Er wollte etwas sagen, aber Scotto kam ihm zuvor. »Hier ist doch der Teufel…«
»Los, schieß!«
Und da stand sie.
Auf dem schlichten Altar malte sich ihre Gestalt ab. Wir sahen sie mit ihrem blonden Haar, mit dem engelhaften Gesicht und dem sich dort abzeichnenden Willen darin.
Jetzt oder nie!
»Weg, Testi!«
Ich fiel schon zur Seite.
Da krachten die Schüsse. Ob Testi erwischt wurde, konnte ich nicht sagen, an mir jedenfalls huschten die Kugeln vorbei. Sie waren auch nicht für mich bestimmt, sondern trafen die geisterhafte Gestalt, die sich genau in diesem Augenblick voll materialisierte, als hätte sie dies extra getan.
Von zwei Seiten erwischten sie die Geschosse. Sie jagten nicht hindurch, sie blieben stecken, und wir bekamen mit, wie die Person wie unter Peitschenhieben zusammenzuckte.
Es war ihr unmöglich, sich auf der Altarplatte zu halten. Sie brach in die Knie, von Kugeln getroffen, von Wunden gezeichnet, wobei aus einigen von ihnen Blut sickerte, denn die
Weitere Kostenlose Bücher