Die Hexenmeister
ist nichts.«
»Und was ist das?« fragte ich, wobei ich auf den Aschehaufen deutete, der einen grauen Fleck auf den Boden malte.
Testi beugte sich vor. »Sieht aus wie Asche.«
»Ist es auch.«
»Daraus folgert man, daß die Verschwundene noch etwas verbrannt hat. Oder liege ich da falsch?«
»Eigentlich hast du recht.« Ich holte die Äbtissin herein, die sich über die Asche wunderte.
»Kann ich mir nicht erklären, Signore Sinclair. Das ist mir unverständlich.«
»Was könnte sie denn verbrannt haben?«
»Ich weiß es doch nicht.«
Sie stand neben mir. Ihre Blicke wechselten zwischen der grauen Asche und der dahinterliegenden Wand hin und her. Sie war eigentlich nicht in der Lage, einen Kommentar abzugeben. Die Frau zeigte die gleiche Ratlosigkeit wie wir, und trotzdem war sie es, die eine Lösung fand. Sie deutete plötzlich auf die Wand über dem Ascherest.
»Da ist der Umriß!«
»Welcher?«
»Der von dem Kreuz!«
Für mich war es einfach zu dunkel. Deshalb nahm ich meine Lampe und leuchtete die Stelle an.
Die Äbtissin hatte sich nicht geirrt. Auch Testi, der neben mir stand, sah es und nickte. »John, da muß ein Kreuz gehangen haben. Man kann noch den Umriß erkennen.«
Wir schwiegen. Jedem zuckten Gedanken und Vermutungen durch den Kopf. Vielleicht wollte auch niemand als erster einen Kommentar abgeben, so machte sich die Nonne zum Vorreiter.
»Sie wird es von der Wand genommen und verbrannt haben«, flüsterte sie. »Mein Gott, wie konnte sie das nur tun! Es gleicht schon einem Verrat. Das begreife ich nicht.«
Ich hielt dagegen. »So einfach wollen wir es uns nicht machen, Ehrwürdige Mutter. Wer sagt uns denn, daß dies tatsächlich passiert ist.«
»Haben Sie eine andere Lösung?«
Ich konnte mir eine Antwort sparen. Testi, der vor dem Aschehäuflein hockte und mit dem Finger darin herumgerührt hatte, runzelte die Stirn, bevor er sich hochdrückte und uns kopfschüttelnd anschaute. »Das ist eine seltsame Asche.«
»Wieso?«
»Kann ich dir auch nicht genau sagen. Ich verlasse mich da einfach auf mein Gefühl und meine Routine. Ich habe schon oft in Asche herumgestochert, denke dabei nur an die Brandbomben, mit denen Gegner der Mafia umgebracht wurden, egal, ob in ihren Fahrzeugen oder in ihren Häusern. Da habe ich öfter vor Ascheresten gestanden, und damit meine ich nicht nur die Menschen, auch Holzasche. Ich habe sie kontrollieren können, aber diese hier ist anders.«
»Wie denn?«
Testi hob die Schultern. »So genau kann ich es dir nicht sagen, aber ich will einfach nicht glauben, daß es Asche von dem Kreuz ist. Die hätte ganz anders ausgesehen. Viel amorpher und auch schwärzer. Die hier ist so seltsam. Die rieselt, wenn ihr versteht.«
»Noch nicht.«
Testi schaute uns an, hob die Schultern, sah gequält aus. »Nun ja, ich kann es nicht genau erklären. Das Kreuz ist jedenfalls nicht normal verbrannt.«
Wir schauten ihn an und waren sehr skeptisch. Testi hatte aber ein Wort gesagt, über das ich nachdachte. Normal in Verbindung mit verbrennen.
Darüber stolperte ich.
»Was hast du, John?« Testi wunderte sich über meine Nachdenklichkeit.
Ich lächelte knapp. »Du hast da etwas gesagt, das mich mißtrauisch machte. Dieses Wort normal in Zusammenhang mit dem Verbrennen. Es gibt auch andere Feuer.«
»Und welche?«
»Magische.«
Das Wort schwebte im Raum und zwang beide Zuhörer dazu, sich näher damit zu beschäftigen. Wer sich nicht mit den Fällen so beschäftigt wie ich, für den ist es schwer, meine Folgerungen zu begreifen. Diesmal stellte die Äbtissin die Frage.
»Können Sie das näher erklären?«
»Nehmen Sie es einfach hin, daß es die Flammen des Bösen, meinetwegen auch das Feuer der Hölle gewesen ist.«
Sie erschrak. »Das meinen Sie doch nicht im Ernst?«
»Doch.«
»In meinem Kloster hier?«
Ich hob die Schultern. »Sie sollten selbst wissen, Ehrwürdige Mutter, daß die Wege unserer Gegner sehr verschlungen sind. Sie greifen auch an Orten an, wo man nicht mit ihnen rechnet. Es ist schlimm, ich weiß es, aber diese Erklärung muß Ihnen reichen.«
»Nein!« sagte sie entschieden. »Das ist mir viel zu allgemein. Wenn alles stimmt, was Sie da gesagt haben, Signore Sinclair, muß es dem Feind gelungen sein, hier einzudringen.«
»Richtig.«
Sie schaute mich an, dann senkte sie den Blick und meinte: »Wir sind zu spät gekommen. Wenn alles so stimmt, wie Sie es angedeutet haben, dann ist unser Kloster nicht mehr sicher.«
»So sehe ich
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