Die Himmelsbraut
inne. «Warum bist du hier? Und warum hast du den Notarius mitgebracht? Ist etwas mit Vater?»
Phillip verschränkte die Arme. Das hoffnungsfrohe Glitzern in Wigharts Augen war ihm nicht entgangen. «Kannst es wohl kaum erwarten, ihn unter der Erde zu sehen, was?»
«Ach, Phillip, so lass doch diese alten Feindseligkeiten. Jetzt geht’s vielmehr um unsern armen kranken Vater.»
«Unser Vater ist tot. Falls du ihn noch ein letztes Mal sehen willst – morgen wird er bestattet. Sobald ich zurück auf Holderstein bin.»
«Was für eine entsetzliche Nachricht!» Für einen Augenblick schien Wighart ehrlich betroffen. Er wischte sich eine Träne aus dem Auge und bekreuzigte sich. «Friede seiner Seele! Aber so hat seine Leidenszeit wenigstens ein End’.»
«Und du kannst dich Reichsritter zu Holderstein nennen.» Phillip lachte verächtlich auf. «Zumindest glaubst du das. Aber da irrst du dich gewaltig.»
«Was soll das heißen?»
«Ich war dabei, als er starb. Und er hat mir so einiges anvertraut.»
Wigharts Gesichtsfarbe wurde so weiß wie seine gestärkte Halskrause.
«Was hat er dir gesagt?»
«Willst du wirklich, dass ich das vor all diesen Herren wiederhole? Nun gut …» Phillip trat vor die anderen Ritter, die sich ihnen neugierig genähert hatten. Entgegen Höflingers Rat war er alles andere als ruhig. «Dann sollt Ihr es hören. Mein Vater, der Reichsritter zu Holderstein, ist tot – Gott sei seiner Seele gnädig. Nicht dieser Mann hier», er deutete auf Wighart, «sondern sein ältester Sohn Bernward würde heute sein Erbe antreten, wenn nicht der Besitzer dieses Dolches», er zog den Dolch aus seinem Gürtel und warf ihn Wighart vor die Füße, «ihn hinterhältig gemeuchelt hätte.»
«Dieser Schelm lügt! Bernward von Oberthann war nur ein Bastard, niemals hätte er das Erbe antreten können», stieß Wighart keuchend hervor. Mit ungläubigem Raunen wichen die Ritter vor ihm zurück.
«O doch. Denn schon zu Lebzeiten Bernwards hat unser Vater seinen Willen in die Feder von Notarius Höflinger diktiert. Und du wusstest davon oder hast es zumindest geahnt. Und deshalb musste Bernward durch deine Hand sterben.»
Er packte Wighart beim Arm. Dabei schob er ihm die Manschette vom Handgelenk, bis ein silberner Reif sichtbar wurde. «Du warst sogar so unverfroren, dem Toten seinen Armreif abzunehmen. Pfui Teufel!»
In diesem Moment geschah etwas Unvorhersehbares. Sein Bruder schüttelte ihn von sich ab, trat einen Schritt zurück, zückte das Schwert und holte aus. Phillip konnte sich eben noch ducken, und so traf der Streich einen der beiden Holdersteiner Reisigen. Mit einem Aufschrei ging der Mann zu Boden. Bevor Wighart indessen ein zweites Mal zuschlagen konnte, hatte der zweite Reisige ihm die Waffe schon aus der Hand geschlagen.
«Zu Boden, Wighart von Holderstein», drohte der und setzte ihm die Schwertspitze auf die Brust. «Sonst seid Ihr ein toter Mann.»
Wighart sank auf die Knie, während Phillip sich beeilte, dem Verletzten zu Hilfe zu kommen. Der Hosenstoff oberhalb seines Knies war voller Blut, als sich der Mann mühsam aufrappelte.
«Er hat mich nur gestreift, es geht schon.»
Durch den Tumult angelockt, stand plötzlich die vier Mann starke Schlosswache vor ihnen.
«Bringt ihn weg», wies Notarius Höflinger sie an. «Er hat vor aller Augen den eigenen, wehrlosen Bruder angegriffen und einen unserer Männer verletzt.»
Wighart begann zu toben und zu brüllen wie ein Narr, als die Wächter ihn jetzt vom Hof schleiften. Eine Zeitlang herrschte fassungsloses Schweigen unter den Anwesenden.
«Ich bring Euch zum Wundarzt», durchbrach einer der Ritter die Stille und führte den Verletzten davon.
«Damit hat Wighart sein Urteil gesprochen», murmelte Phillip. Ihm war mit einem Mal ganz schlecht.
Höflinger nickte. «Wie viel Bösartigkeit in einem Menschen stecken kann! Dem Herrgott sei Dank, dass Euer Vater dies nicht mehr erleben musste.»
Phillip bückte sich nach dem Dolch und überreichte ihn dem Notarius.
«Nehmt Ihr ihn an Euch? Ich denke, das könnte noch ein wichtiges Beweisstück sein, wenn es dann so weit ist.»
«Da habt Ihr recht, Junker. Und jetzt sollten wir den Markgrafen aufsuchen und ihm die Sachlage erklären.»
Dies noch, dachte Phillip, während sie auf die Freitreppe zugingen, dann ist meine Mission hier erfüllt. Ihn drängte nur noch eines: endlich Antonia wiederzusehen. Er musste ihr klarmachen, dass in diesen Zeiten ein Gelübde nichts mehr galt.
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