Die Himmelsbraut
stieg er in eines der Weindörfer hinab, das nur noch von Frauen und Kindern bewohnt schien. Die Kinder umringten ihn johlend, zupften hier an der rotblauen Schabracke, dort am messingbeschlagenen Zaumzeug seines Pferdes, und ein besonders kecker Knabe versuchte gar, ihm den Stiefel vom Fuß zu zerren. Phillip hätte dem Burschen am liebsten eins mit seiner Reitgerte gegeben, doch er wollte keine Streithändel heraufbeschwören. Auch wenn die Dorfstraße nur von einer Handvoll Frauen bevölkert war, die über dieses Schauspiel in Kichern und Lachen ausbrachen, wusste er nicht, wer sich in den Häusern verbarg. Erst als sein Falbe zu schnauben und seitlich auszuschlagen begann, hielten die Kinder auf Abstand.
«He du!» Er winkte das junge Mädchen heran, das ihm am nächsten stand und ihn die ganze Zeit über nicht aus den Augen gelassen hatte. Sie war dunkel wie eine Welsche, wie so viele hier aus dem Breisgau.
«Was ist, Mann? Soll ich dir zu Hilfe kommen?»
Auch ihre Stimme war dunkel, zudem hatte sie ein ausnehmend hübsches Gesicht. Er beschloss, ihre respektlose Anrede zu überhören.
«Ich suche den Weg nach Breisach am Rhein.»
«Was gibt’s zum Lohn?»
«Ich hab nichts bei mir.»
«Dass ich nicht lach! Allein das Ross wär für uns Gold wert. Und aus deinem hübschen Gewand könnt ich mir Mieder und Rock schneidern lassen. – Also?»
Sie stemmte die Arme in die Hüften und schob herausfordernd das zierliche Kinn vor.
«Nun gut. Du kannst meinen Umhang haben.» Er löste die Kordel von seinem Kragen und zog sich den nachtblauen Stoff von den Schultern. «Aber zuerst die Wegbeschreibung.»
Das Mädchen deutete auf ein schmales Tal in Richtung Mittag. «Dort hinein und immer weiter. Bis du zu deiner Rechten die Burg Höhingen siehst. Aber erschrick nicht», sie lachte schadenfroh und streckte die Arme nach dem Umhang aus, «unsere Leute haben sie geschleift und gesengt. Und um das Dorf dort machst besser einen Bogen, da haben die Weiber nämlich Haare auf den Zähnen und Messer im Gürtel.»
Phillip hielt den Stoff aus ihrer Reichweite. «Woher weiß ich, dass du mich nicht an der Nase herumführst?»
«Ganz einfach – weil du mir gefällst.» Jetzt schenkte sie ihm ein strahlendes Lächeln. Wortlos warf er ihr den Umhang zu und wollte schon anreiten, als ihm das Mädchen in die Zügel fiel.
«Warum so eilig? Unsre Männer sind alle fort. Komm mit mir in die Weinberge, dort zeig ich dir was, das dir gefallen wird.»
«Geh mir aus dem Weg», herrschte er sie an, grober als beabsichtigt. Er riss das Pferd herum, gab ihm die Sporen und galoppierte los. Aus dem Augenwinkel konnte er sehen, wie die Kinder und auch die Jungfer ihm nachrannten und mit Steinen bewarfen. Doch da war er schon außer Reichweite.
Das Mädchen hatte nicht gelogen. Bald schon sah er die rußgeschwärzten Mauern der Burg auftauchen. In scharfem Trab und gehörigem Abstand zu dem halbhohen Palisadenzaun ritt er an dem Dörfchen zu Füßen des Burgberges vorbei und erreichte kurz darauf unbehelligt die Rheinebene. Vor ihm, hoch über dem Rheinstrom, thronte Breisach gleich einer Festung auf einem Felsen.
Sein Herz klopfte schneller, nachdem er sich nach kurzer Rast wieder in Marsch gesetzt hatte. Der Weg führte ihn nun auf eine mächtige Toranlage zu, deren Zugbrücke hochgezogen war, doch die Schlupfpforte zum Vorhof stand offen. Ein Wächter mit Hellebarde lehnte müßig am Mauerwerk und beäugte ihn misstrauisch.
«Wohin des Wegs?»
«Gott zum Gruße, guter Mann. Zum Kloster Marienau will ich.»
Der Wärter glotzte ihn verblüfft an, dann lachte er.
«Na, dann viel Glück. Kennt Ihr den Weg?» Erneut verzog er den Mund zu einem breiten Grinsen.
Mit einem knappen Ja setzte Phillip seinen Weg fort. Schon während er den Breisacher Berg umrundete, beschlich ihn ein ungutes Gefühl. Dann aber, als er das Obertor dicht bei der Abtei erreichte, traf ihn fast der Schlag. Die Klostermauern schützten nichts weiter als einen Haufen ausgebrannter, zerstörter Gebäude!
Auch hier also hatten die Bauern Rache genommen, kein Kloster im gesamten Breisgau schien von der Raserei der Leute verschont geblieben.
Fassungslos starrte Phillip auf die moosbewachsenen Bruchsteine, während sich seine Hände zu Fäusten ballten. Er spürte, wie ihm das letzte Verständnis für die Sache der Bauern verloren ging. Was, wenn Antonia diesen Mordbrennern zum Opfer gefallen war?
«Dass euch der Teufel holen komm», stieß er wütend
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