Die Himmelsbraut
vielmehr ebenso beharrlich wie vergeblich darauf gehofft hatte, sie würde eines Tages sein Begehren erwidern.
«Dann werde ich also morgen in die Stadt kommen?»
«Heute schon. Morgen nämlich, beim Einzug der Haufen, wird zu viel Trubel sein.»
Er nahm ihr das Tuch aus den Händen und legte es ihr um die Schultern. Als er hierfür ihr Haar anhob, spürte sie seine kräftigen Hände auf ihrem bloßen Nacken. Für einen Augenblick hielt er inne.
«Mein Angebot gilt noch immer.»
Ganz nah war sein Gesicht vor ihrem.
Schließlich entwand sich Antonia seiner Berührung. «Danke für alles, Hans. Ich wünsche dir von Herzen alles Gute.»
«Ich dir auch, Antonia. Vielleicht hast du ja recht – und wir beide sind nicht füreinander geschaffen.»
Er winkte Egbert heran, der im Schatten eines Baumes saß und seine Waffen auf Hochglanz brachte.
«Bist du bereit?»
«Ja.» Egbert erhob sich und bot Antonia den Arm, als sei sie eine Hofdame. In diesem Moment kam Peter angerannt und blieb keuchend vor ihr stehen.
«Du gehst also wirklich von uns weg?»
«Ja.» Sie strich ihm durch das Haar, das wie immer in alle Richtungen abstand. «Aber ich werd dich nicht vergessen.»
Peter schluckte. «Ich dich auch nicht, Antonia. Vielleicht sehen wir uns ja eines Tages wieder.»
«Ja, wer weiß.» Liebevoll betrachtete sie den Jungen. «Was hast du vor, wenn das alles vorbei ist? Nach Liebfrauenwalde kannst du nicht zurück.»
«Ich weiß nicht – am liebsten würde ich auf einem Gestüt arbeiten.»
«Ich kenne da eines, da würd es dir gefallen. In der Ortenau. Hör zu, Peter», sie nahm ihn bei den Händen, «sprich bei Kilian von Holderstein vor, im Durenbachtal bei Offenburg. Kannst du dir das merken?»
«Ja.»
Peter hatte Tränen in den Augen. Sie bemerkte, wie Egbert und Hans Blicke austauschten.
«Los jetzt», drängte Egbert.
Ohne sich noch einmal umzuwenden, machte sich Antonia an der Seite ihres Begleiters auf den Weg in einen neuen Abschnitt ihres Lebens.
«Halt, wartet. Deine Schuhe, Antonia.»
Hans kam ihnen hinterhergelaufen. Er kniete vor Antonia nieder, zog ihr die zerschlissenen Bundschuhe von den Füßen und streifte ihr die neuen über.
«Sie passen wie angegossen. Damit kannst du in einem Tag bis Breisach wandern. – Wobei ich nicht glauben kann, dass du dort immer noch wirst hinwollen. Und nun geh. Sonst fang ich auch noch an zu heulen.»
Da breitete Antonia die Arme aus und fiel ihm um den Hals. Ja, sie hatte ihn ins Herz geschlossen, diesen baumstarken, achtungeinflößenden Mann, der sich an einem Tag rührend um einen verwaisten Hundewelpen kümmern konnte und am andern eine Stadt unter Kugelfeuer nahm, Rebberge verwüstete oder einen Herrenhof in Brand setzte.
Ganz fest zog er sie an sich, dann wandte er sich ab und stapfte im Laufschritt davon. Egbert holte tief Luft. «Ich denk, jetzt wird’s wirklich höchste Zeit, dass du hier wegkommst. Sonst bringst du noch dein Schicksal durcheinander. Ich könnt mir denken, dass Fortuna noch einiges für dich vorgesehen hat.»
«Was redest du da?», fragte sie. Doch Egbert schwieg.
Sie durchquerten das Lager, das sich von dem Dörfchen Ebnet bis fast vor das Obertor erstreckte.
«Was ist?», fragte Egbert nach einer Weile. «Warum bist du so schweigsam? Freust du dich nicht über deine neue Freiheit?»
«Freiheit – was ist das?», gab sie zurück.
«Nun, niemand zwingt dich ins Kloster zurück. Warum gehst du nicht einfach zu deinen Eltern?»
«Sie sind tot. Und meine Geschwister auch, bis auf eine Schwester, die mir immer fremd war.»
«Das tut mir leid.»
«Muss es nicht. Das alles ist lange her.»
«Erzähl mir mehr von dir. Ich weiß so gut wie nichts über dich.»
«Da gibt’s nichts zu erzählen. Ich war im Kloster.»
«Davor, Antonia, wo hast du davor gelebt? Du bist ja wohl nicht im Kloster geboren.»
Sie lachte leise. «Nein. Ich bin auf einem Gestüt aufgewachsen, auf dem mein Vater Verwalter war.»
«Das, von dem du eben gesprochen hast?»
«Ja, auf Holderstein. Warum fragst du? Kennst du es?»
Um Egberts Mundwinkel zuckte es. «Flüchtig.»
Sie waren an der Dreisambrücke angelangt, die, wie alle Wegmarken rund um Freiburg, von Bauern bewacht war. Die beiden Männer grüßten freundlich.
«Und jetzt soll ich dich also zu dem alten Bernhard Schiller von Herdern bringen?»
«Ja. Mein Bruder hat einst bei ihm gewohnt und studiert. Da die Guntersthaler Weißfrauen geflohen sind, hoffe ich, dass
er
mir
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