Die Himmelsbraut
weiterhilft.»
«Das wird er schwerlich tun können. Der Alte steckt im Irrenhaus zu Basel. Falls er überhaupt noch am Leben ist.»
«Was? Das sagst du mir erst jetzt?»
«Keine Sorge. Dafür kenne ich seinen Sohn Joachim recht gut. Und überhaupt eine Menge Leute hier. Wie du vielleicht weißt, hab ich in Freiburg studiert, bevor ich zu Hans Müller gestoßen bin.»
Antonia blieb stehen. «Kannst nicht
du
mich nach Breisach bringen?»
Egbert schüttelte den Kopf. «Ich kann keinen ganzen Tag fortbleiben. Nicht jetzt, wo der Beitritt Freiburgs unmittelbar bevorsteht. Außerdem – wart einfach mal ab. Vielleicht willst du gar nicht mehr nach Breisach.»
Antonia erwiderte nichts. Sie wusste gar nichts mehr. Nur eines wurde ihr plötzlich klar: Einmal noch wollte sie an das Grab ihres Bruders und ihres Vaters. Einmal noch Holderstein wiedersehen.
«Gut. Dann bring mich zu diesem Joachim.»
Sie durchquerten den Zwinger des Obertors. Die Zugbrücke war zwar heruntergelassen, doch das mächtige Fallgitter im Torturm versperrte Wagen und Reitern den Zutritt in die Stadt. Noch bevor Egbert an die Seitenpforte klopfte, sprang die Tür mit einem lauten Knarren auf.
«Egbert, du alter Malefizkerl! Hab dich kommen sehen.» Der Torwächter schlug ihm freudig auf die Schulter. «Sag bloß – gehörst jetzt zu dem Bauernhaufen da draußen?»
«Ja. Als Reitender Bote des Obersten Hauptmanns.» In seiner Stimme schwang Stolz mit. «Morgen kannst dein Gitter hochfahren und die Tore weit öffnen. Da werden wir mit fliegenden Fahnen einmarschieren.»
«Gut so. Der Rat wird in die Bruderschaft schwören, da bin ich mir sicher.»
«Das wird er müssen, Jeckli, das wird er müssen. Alsdann, bis auf ein andermal.»
Sie betraten die Stadt, in der im Gegensatz zum Bauernlager eine gespenstische Stille herrschte. Die meisten Tore und Läden waren geschlossen, Viehzeug streunte herum, nur wenige Menschen waren unterwegs.
Antonia wurde zunehmend unbehaglich zumute. Trotz der warmen Frühsommerluft fröstelte ihr. «Was ist das überhaupt für einer, dieser Joachim?»
«Ein rechter Haudegen, aber ansonsten kein schlechter Kerl. – Nun schau nicht so verschreckt, Antonia. Ich hab’s mir längst anders überlegt. Ich bring dich zu meinem besten Freund.»
Vor einem gepflegten Steinhaus mit bunt gestrichener Fassade blieben sie stehen. Egbert schlug dreimal kräftig mit dem Türklopfer gegen die Eichenholztür. Eine ältere Magd öffnete ihnen.
«Jesses, der Junker Egbert! Ich hab Euch schon verschollen geglaubt! – Ihr wollt gewiss zu Eurem Freund.»
«Ist er da?»
«Oben in seiner Kammer.» Sie warf Antonia einen missbilligenden Blick zu. «Ihr wisst, dass die jungen Herren hier keinen Damenbesuch empfangen dürfen.»
«Jetzt geh her, Resi – diese Jungfer hier ist keine Dame, sondern eine Nonne. Auch wenn sie nicht eben so aussieht.»
«Trotzdem.»
«Dann ruf den Doctor her, damit ich ihm die Sache erkläre.»
«Er ist bei der Senatsversammlung, wegen der Bauern. Und die Hausfrau bei den Nachbarn.»
«Auch gut. Da muss ich mir schon nicht ihre Vorhaltungen anhören.»
Antonia wandte sich ab. «Lass nur, Egbert. Bring mich zurück ins Lager. Vielleicht sollte ich ja am besten bei euch bleiben.»
«Nichts da. Auch wenn ich mir nichts Schöneres wünschen könnte. Aber jetzt ist es zu spät.»
Er setzte gegenüber der Magd sein bezauberndstes Lächeln auf. «Komm, Resi! Lass mal fünfe grade sein.»
Die Frau stieß einen Seufzer aus und trat beiseite. Dabei murmelte sie etwas wie: «… und ich muss die Suppe wieder auslöffeln.»
Energisch zog Egbert Antonia hinter sich her durch die Eingangshalle, dann zwei Stiegen hinauf bis ins oberste Stockwerk. Antonia schob sich ihr neues Schultertuch über den Kopf und hielt sich dicht hinter seinem breiten Rücken. Das alles kam ihr höchst seltsam vor. Ganz offensichtlich war Egberts Freund ein Scholar, dem dieses vornehme Haus hier als Burse diente. Wie sollte so einer ihr weiterhelfen?
Egbert hatte noch nicht an die Tür geklopft, da sprang diese auch schon auf. Antonia erkannte den jungen Mann mit der frischen Narbe an der Schläfe sofort, und vor Überraschung blieb ihr das Herz stehen.
«Phillip!»
Der Boden unter ihren Füßen begann zu schwanken, und Egbert fing sie gerade noch auf, bevor ihr schwarz wurde vor Augen.
Fassungslos betrachtete Phillip Antonia, die vor ihm auf seinem Bett lag und nach einem kurzen Moment der Ohnmacht wieder zu sich kam. Sie
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