Die Himmelsbraut
sie nicht wieder vermietet.»
Phillip betete darum, dass Zasius ihn jetzt nicht nach seinem Freund ausfragen würde. Doch der legte stattdessen den Kopf in den Nacken und starrte in den Himmel.
«Sie haben tatsächlich von der Burghalde herabgeschossen. Haben in der Nacht einfach ihre Geschütze dort hinaufgeschleppt», murmelte er.
Molitoris nickte. «Irgendwer von den Schwarzwäldern muss gewusst haben, dass genau dort der wunde Punkt unserer Verteidigung liegt.»
Phillip schluckte. Dieser Jemand konnte nur Egbert gewesen sein, der die verwilderte und verwinkelte Burghalde wie seine Westentasche kannte. Fast musste er lachen. Wenn Egbert tatsächlich dieser Teufelskerl gewesen war, dann hatte er damit aus Versehen seine eigene Bude zerschossen!
«Was ist daran so erheiternd?», fragte Molitoris streng.
«Verzeiht. Das ist – das ist nur dieser Schreck.»
«Ja, das war wahrhaftig ein großer Schrecken. Gehen wir zurück ins Haus und trinken einen Schluck. Das wird vor allem Euch guttun, werter Zasius.»
Außer dem Haus des Professors hatte es noch das Dach eines weiteren Wohnhauses getroffen, eine alte Scheune sowie den Helm des Münsterturms. Zu einem erneuten Beschuss kam es indessen nicht mehr.
Dafür nahm die Belagerung umso bedrohlichere Formen an. Schon zuvor waren kaum noch Feldfrüchte und andere frische Nahrungsmittel in die Stadt gelangt. Inzwischen war der Markt ausgesetzt, die Lauben der Fleischer, Bäcker und Fischhändler blieben geschlossen, ebenso wie etliche Werkstätten von Handwerkern, die es auf Seiten der Aufständischen verschlagen hatte. Das Vieh brüllte vor Hunger, da es nicht mehr auf die Weiden vor der Stadt getrieben werden konnte, und die ersten Notrationen an Getreide wurden am städtischen Kornhaus ausgegeben.
Das Verheerendste aber für die Freiburger war, dass die Aufrührer ihnen das Trinkwasser gekappt hatten. Im Gewann Mösle unterhalb des Brombergs, wo die Bauern lagerten, befand sich nämlich auch die Brunnenstube, der Lebensquell der ganzen Stadt. Über hölzerne Deichelleitungen strömte von dort das kostbare Nass zu den zahlreichen Laufbrunnen auf den Plätzen und Gassen. Nachdem es nun versiegt war, schöpften die Menschen in ihrer Verzweiflung das Wasser aus dem Stadtbach, das nach Gerbsäure und Schlachtabfällen stank, und schon bald wurden die ersten krank, und das Vieh drohte zu verdursten. Wenige Tage später ergab sich Freiburg den Belagerern und hisste über den Toren die weiße Fahne.
48 Freiburg, den 21 . Mai 1525
W ir haben Waffenstillstand ausgehandelt», sagte Hans und lehnte sich an das Geländer des Leiterwagens. «Morgen ziehen wir in die Stadt ein.»
In seinen Augen lag Wehmut, und Antonia wusste, warum.
Fünf Tage war es nun schon her, dass er ihr versprochen hatte, sie durch Egbert in die Stadt bringen zu lassen, sobald die Lage befriedet sei. Sie hatte schon nicht mehr daran geglaubt. Ebenso wenig wie sie auf der letzten Etappe ihres Eroberungsmarsches überhaupt noch zu hoffen gewagt hatte, jemals in Freiburg anzukommen.
Nachdem der Hauptmann damals Villingen aufgegeben hatte, war er mit seinen Bauern umso triumphvoller, als ob er König oder Kaiser wäre, über den Wald gezogen, durch Furtwangen, Triberg, die Klosterschaften Sankt Georgen, Sankt Märgen und Sankt Peter, die alle paktieren mussten. Bis sie dann endlich ihr Lager bei Kirchzarten aufgeschlagen hatten, das angeblich nur noch zwei Wegstunden von der Stadt Freiburg entfernt sei. Dort hatte Antonia mehr als einmal überlegt, ob sie sich heimlich davonschleichen sollte, doch die Ungewissheit, wie die Lage in Freiburg war und was sie dort erwarten würde, hatte sie jedes Mal zurückgehalten.
Jetzt indessen, wo ihr Hans Müllers Blick verriet, dass er sein Versprechen einlösen würde, befiel sie ein schmerzlicher Zweifel. Wollte sie wirklich zurück ins Klosterleben?
«Damit ist die Stunde des Abschieds gekommen», fuhr Hans mit rauer Stimme fort. Er zog ein Bündel vom Wagen.
«Das ist für dich. Damit du mich nicht ganz vergisst.»
Antonia nahm das Bündel entgegen und faltete es auseinander. Zum Vorschein kamen ein Paar nagelneuer Lederschuhe und ein in blauen und roten Streifen gewebtes Schultertuch. Es war wunderschön.
«Danke», sagte sie leise.
Sie war plötzlich gerührt. Nicht etwa wegen des hübschen Geschenks. Sondern weil er sie seit ihrer Flucht aus Liebfrauenwalde beschützt und umsorgt hatte. Weil er sie niemals angerührt hatte in diesen vielen Wochen,
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