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Die Himmelsleiter (German Edition)

Die Himmelsleiter (German Edition)

Titel: Die Himmelsleiter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marco Lalli
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und nicht nur kurze Stunden, die sie mir wie eine wertvolle Medizin sparsam verabreichte. Ich wünschte mir gemütliche Nachmittage, gemeinsame Abende, die in lange Nächte übergingen, Nächte, die einen Morgen haben würden, - und dann einen weiteren Tag. Die Aussicht auf eine ganze Woche war mehr, als ich je zu hoffen gewagt hatte. Die Unruhe, die seltsame Angst, die sich meiner seit meinem Traum bemächtigt hatte, wich zurück. Auch wenn die Bombe Z nachwievor irgendwo unsichtbar über mir hing, vielleicht gönnte sie mir eine Atempause.
    Wie Chloé gerade auf Locarno kam, weiß ich nicht. Es war eine weite, eine gefährlich weite Reise, wie sich herausstellen sollte. Manches mochte eine Rolle gespielt haben. Die Hoffnung auf besseres Wetter, die Erinnerung an die wenigen Sommertage ihrer Kindheit, die wir gemeinsam bei den Altomontes verbracht hatten. Vielleicht meinte sie, mir etwas bieten zu müssen, um mich von der Heimfahrt abzuhalten.
    Altomontes Elternhaus lag auf der östlichen Seeseite in einem Dorf des mittleren Gambarogno etwa auf der Höhe von Ascona. Seit dem Tod des Vaters stand es zum Verkauf. Erst bei der Abfahrt hatte Chloé mir eröffnet, dass das leere Haus praktisch unbewohnbar war. Immerhin versprach sie, einen Abstecher dorthin zu machen. So stiegen wir nicht im Castelletto ab, sondern bezogen ein schönes Eckzimmer in der Pension Villa Africa , einem kleinen Familienbetrieb, der den Schäfers gehörte. Diese waren mit den Altomontes gut befreundet gewesen und kannten Chloé von klein auf.
    Was Wolken und Regen anging, stand Locarno Genf in nichts nach. Aber es macht einen Unterschied, ob man auf etwas hinunter sehen kann oder mitten drin steckt. Die Villa Africa lag an der Straße nach Centovalli, fast hundert Meter über der Stadt, und wir hatten einen weiten Rundblick über den nördlichen See.
    Die Pension selbst bestand aus einem dreist öckigen Haupthaus, das mit seinen Säulen und Arkaden an einen alten Landsitz erinnerte, und einem flachen Anbau. Ein Laubengang führte auf die große Terrasse, wo im Sommer das Frühstück serviert wurde. Selbst in dieser Jahreszeit strotzte der weitläufige Garten vor Grün. Fächerpalmen, Kaffeebäume, Kamelien, Hibiscussträucher, allerlei Kakteen und andere subtropische Pflanzen wucherten auf den Hängen rund um die Steintreppen, die vom gusseisernen Haupttor zur Rezeption und zum Lieferanteneingang führten. Überall standen Objekte herum, die seltsam fehl am Platz wirkten, deren Anwesenheit aber offenbar dem Namen der Pension geschuldet war: steinerne Löwen, hölzerne Elefanten, Masken und Lanzen. Neben der Garderobe hing eine mit goldenen Knöpfen, Brassen und Epauletten überladene, khakifarbene Uniform, auf deren Schirmmütze in goldenen Lettern AFRICA prangte, eine Pagenuniform vielleicht. Ich stellte mir vor, dass der alte Schäfer in seiner Jugend auf einem Raddampfer gleichen Namens gelernt hatte und seine Pension daran erinnern sollte.
    Da die Sch äfers über Weihnachten geschlossen hatten, waren wir die einzigen Gäste.
    Es regnete den ganzen Tag. Ergiebige wolkenbruchartige G üsse wechselten sich mit dünnen Schauern ab. Dann lichtete sich der Himmel. Die Wolken stiegen ein paar Meter höher, und etwas Licht fiel in unser Zimmer. Doch bald verschwand das gegenüberliegende Seeufer wieder im Dunst, und dicke Tropfen trommelten auf den Palmen vor unserem Fenster wie auf einem Blechdach. Auf den flachen Stufen, die durch den Garten hinunterführten, sammelte sich das Wasser zu einem kleinen Bach, das Blätter und Zweige mit sich führte und eine bräunliche Spur hinterließ. Auf der abschüssigen Straße selbst floss knöchelhoch die Brühe zu Tal. Aber es war angenehm mild, fünfzehn, vielleicht sechzehn Grad. Die Schneefallgrenze hatte sich auf über tausend Meter zurückgezogen.
    Chloé saß auf dem Bett und las. Sie trug ein langes Wollkleid, das sie über die Knie gezogen hatte und dort spannte, als sei es aus Stretch. Ab und zu ging ihr Blick prüfend zum Fenster und verharrte einige Sekunden auf den angelaufenen Scheiben. Dann gab sie sich einen Ruck, sah vielleicht lächelnd zu mir herüber oder vertiefte sich gleich in ihre Lektüre, eine französische Taschenbuchausgabe von Rousseaus Bekenntnissen . Wenn dieser Blick nicht gewesen wäre, der etwas Vorsichtiges, Zögerndes, vielleicht auch Abwartendes hatte, sie wäre vollkommen versunken erschienen.
    Trotz der Endzeitstimmung, die das Wetter verbreitete, ging es mir ein wenig

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