Die Himmelsleiter (German Edition)
werden wachsam bleiben?" Die Frage kam ihm idiotisch vor, doch letztlich war das das einzige, was jetzt noch zählte.
Chloé sah auf, sah das Verständnis, das seine Augen verwandelt hatte, und seufzte. "Das wird hoffentlich nie wieder nötig sein." Dann erst bemerkte sie, wie andächtig er sie anstarrte, und schüttelte den Kopf. "Machen Sie nicht den gleichen Fehler. Ich bin nicht die Göttin, in deren unfehlbaren Hand die Geschicke der Welt lagen. Auch ich habe nicht alles gewusst. Es gab keinen allumfassenden Plan. Ich habe getan, was jeder getan hätte, und nichts und niemand wird mir jemals sagen können, ob es das Richtige war."
Schweigend standen sie sich gegenüber. In den wenigen Sekunden, die er brauchte, um sie zu verstehen, dachte er nichts. Er spürte ihr nach mit all seinen Sinnen, bis er die Verletzlichkeit ihrer Haut, das Pochen ihres Blutes und die weiße Spröde ihrer Knochen fast körperlich zu fühlen meinte. Erst als er sie ganz verstanden hatte, nickte er langsam. Feierlich sagte er: "Der Berg wacht". Es klang wie ein Losungswort oder ein Versprechen.
In ihr müdes Gesicht kehrte ein Lächeln zurück. "Der Berg wacht", antwortete sie fast belustigt.
Draußen auf dem Parkplatz verabschiedeten sie sich ernst, und als sie ins Auto stieg, meinte er, eine erwachsene Tochter ziehen lassen zu müssen. Lange sah er dem schweren Wagen nach, wie er die Spitzkehren hinab in die Stadt, in die Niederungen ihres wirklicheren Lebens zurückfuhr.
Als Salvatore sich zu ihm gesellte, stand Dr. Moulin noch immer an der gleichen Stelle und starrte ins Leere. Längst war Chloé Jamorí Altomonte seinen Blicken entschwunden. Nachdem mit ihr auch die letzten Spuren jener seltsamen Ereignisse sein Leben verlassen hatten, fragte er sich, ob er nicht einen verrückten Traum geträumt hatte, einen Alptraum, der, so Gott wollte, nie wiederkehren würde.
"Herr Moulin, Herr Moulin, wie sagt man auf Franz ösisch domenica ?" Salvatore grinste angestrengt, die Augen weit aufgesperrt.
Zer streut antwortete Moulin: " Dimanche , Salvatore, dimanche ." Erst dann hatten die Worte sein Herz erreicht, seine Eingeweide. "Was sagen Sie da?" herrschte er ihn an.
Eingesch üchtert stotterte Salvatore: "W-w-w-as h-h-eißt auf F-f-f-ranz …" Der Rest ging in einem unverständlichen Nuscheln unter.
Sofort hatte der Arzt sich wieder im Griff. "Schon gut, schon gut", beruhigte er seinen Patienten. Er nahm ihn beim Arm. "Kommen Sie! Lassen Sie uns zum Essen gehen." Vor einer Weile schon hatte das Glöckchen geläutet.
Pr üfend blickte sich Dr. Moulin noch einmal um. Dem ersten Anschein nach, war alles in Ordnung. Auf unsicheren Beinen machte er sich auf den Weg zurück.
Eine Danksagung
Literatur lebt vom Zwiegespräch. So wird der geneigte oder auch nur geübte Leser eine Vielzahl von Stimmen vernehmen, die sich in diesen Seiten mehr oder weniger gut verstecken. Und es würde zu weit führen, all jene Autoren und Werke zu benennen, die dieses Buch auf diese oder jene Weise beeinflusst haben. Hierzu mögen sich andere berufen fühlen.
Dennoch ist der Hinweis auf einige der Ziehväter oder -mütter der Himmelsleiter eine Pflicht, der der Autor gerne nachkommt. Schon die Grundidee zu dem Roman, Altomontes Maschine, ist nicht seine Erfindung. So lieb es ihm auch wäre, dieses Un-Ding ganz in den Bereich der Fiktion zu verbannen, so beängstigend wirklich erscheint aus heutiger Sicht die Möglichkeit, eines Tages eine solche Vorrichtung tatsächlich zu bauen. Nach der Atom- oder Wasserstoffbombe rückt auch dieses "letzte Experiment" in den Bereich des zumindest Denkbaren. Darauf aufmerksam gemacht haben ihn John Briggs und F. David Peat ( Die Entdeckung des Chaos , Hanser-Verlag). Dieser verständlichen und spannenden Einführung in die Chaostheorie verdankt er auch andere wertvolle Anregungen. Das Gleiche gilt für James Gleicks Übersicht Chaos - die Ordnung des Universums (Knaur Verlag), die viele interessante Einzelheiten über den Werdegang der Begründer dieser neuen Physik enthält. Manches, was über Altomonte gesagt wird, nahm hier seinen Anfang. In dieser Aufzählung darf auch Douglas R. Hofstadter nicht fehlen ( Metamagicum und Gödel, Escher, Bach , beide Klett-Cotta Verlag). So bekannt seine Bücher inzwischen sind, so wichtig bleibt es, auf seine einzigartige Fähigkeit hinzuweisen, über herkömmliche Schul- und Disziplingrenzen hinweg neue und überraschende Zusammenhänge aufzuzeigen. Ihm und Malcolm Boyd (
Weitere Kostenlose Bücher