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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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reden, sondern sogar die Hütte - außer in ihrer Begleitung - zu verlassen, und obwohl Arri über die Ungerechtigkeit und Willkür dieses Verbots aufs Äußerste empört war, hielt sie sich daran. Dennoch hätte sie schon blind sein müssen, um nicht zu spüren, wie die Stimmung im Dorf allmählich umschlug. Es war nicht so, dass jemand etwas gesagt oder sie oder ihre Mutter gar angegriffen hätte, doch Lea wurde immer wortkarger und abweisender, wenn sie Abends tropfnass wie eine streunende Wildkatze zurückkam und Arri sie fragte, was sie erlebt hatte, und bei den seltenen Gelegenheiten, bei denen sie ihr gestattete, sie ins Dorf zu begleiten, konnte sie die Feindseligkeit, die ihnen entgegenschlug, mehr als deutlich spüren.
    Zweifellos steckte Sarn dahinter. Lea weigerte sich beharrlich, auf jede entsprechende Frage zu reagieren, aber die Blicke, die ihnen die Menschen aus dem Dorf zuwarfen - oder eben auch gerade nicht -, sprachen ihre eigene, sehr deutliche Sprache. Was Arri spürte, war zwar noch weit von blankem Hass entfernt, aber es ging deutlich über die unterschwellige Ablehnung und das niemals ganz erloschene Misstrauen allen Fremden gegenüber hinaus, die Arri bereits zur Genüge kennen gelernt hatte. Etwas änderte sich, und es war keine Veränderung zum Guten.
    Das Einzige, was sich nicht änderte, waren ihre heimlichen Ausflüge in den Wald, bei denen sie trotz der zunehmenden nächtlichen Kälte statt sorgfältig geschnürter Fußlappen nur leichte Sandalen trug, und die auch nur mit Widerwillen, da ihr Barfußlaufen immer noch am liebsten war. Nachdem ihre Mutter ihr verboten hatte, die Hütte zu verlassen, verbrachte sie ihre Tage außer mit den alltäglichen Verrichtungen wie der Pflege ihres Gartens und dem notdürftigen Flicken ihrer zerrissenen Sommerbluse mit nichts anderem, als eine neue Grasmatratze als Ersatz für die von Rahn entweihte und zuvor von Krons Blut besudelte zu fertigen. Ohne viel zu zögern, schob sie mit Beendigung ihrer Arbeit die alte Matratze im wahrsten Sinne des Wortes ihrer Mutter unter - zu ihrer Enttäuschung, ohne dass diese es überhaupt bemerkte.
    Ihr Groll darüber währte allerdings nicht lange. Wie ihre Mutter es durchhielt, sich nahezu den ganzen Tag um Kron und den blinden Schmied zu kümmern, die Kranken und Verletzten des Dorfes zu versorgen, sich Rahns Nachstellungen zu erwehren (wenn auch nicht immer; das schien ein Teil ihrer Abmachung zu sein, auch wenn Arri sich hütete, sie danach zu fragen), nebenbei auch noch all ihren anderen Pflichten und unterschiedlichen Aufgaben nachzukommen und noch jede Nacht mit ihr hinaus in den Wald zu gehen, um ihre Ausbildung fortzusetzen, war ihr ein Rätsel. Aber sie tat es, und was Arri schon vorher und nicht unbedingt angenehm aufgefallen war, wurde noch deutlicher: Sobald sie - meist kurz nach dem Nachtzenit - die Hütte verließen und sich auf den Weg zur Quelle auf der Lichtung machten, schien aus ihrer Mutter eine vollkommen andere Person zu werden. Ihre Fahrigkeit und ihr übellauniges, abweisendes Wesen waren dahin, und sie wurde zu einer geduldigen, wenn auch strengen Lehrerin.
    Auf diese Weise vergingen zehn oder zwölf Tage, in denen Arri zwar viel und begierig lernte, sich zugleich aber immer größere Sorgen um ihre Mutter machte. In Leas Gesicht waren jetzt dunkle Linien und Schatten, die jeden Tag ein wenig tiefer zu werden schienen und die es vorher noch nicht gegeben hatte, und ihre Bewegungen verloren mehr und mehr von ihrer natürlichen Anmut und wurden abgehackt und fahrig. Sie wurde nicht nur immer unduldsamer, sondern machte auch Fehler, was sie früher nie getan hatte, und wenn sie nicht gemeinsam draußen im Wald waren, wurde sie noch wortkarger und abweisender, obwohl Arri nicht verborgen blieb, dass Kron und sein blinder Lehrmeister ganz offensichtlich gute Fortschritte machten. Die heruntergekommene Hütte am Wegesrand, die bisher einfach nur ein Schandfleck für das ganze Dorf gewesen war, wurde von Rahn wieder aufgebaut, stabiler und größer, als sie jemals ausgesehen hatte, und aus dem Rauchabzug im Dach drang jetzt fast ununterbrochen grauer, scharf riechender Qualm.
    Manchmal konnte man den roten Feuerschein des Schmelzofens bis tief in die Nacht hinein durch die Ritzen der Wände schimmern sehen. Arri stellte zwei- oder dreimal eine entsprechende Frage, bekam aber - wenn überhaupt - nur abweisende Antworten und gab es schließlich auf. Ihre Mutter drückten schwere Sorgen, so viel

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