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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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zumindest war ihr klar, und sie war nicht sicher, ob diese nur mit ihrem Streit mit dem Schamanen und dem verrückten Vorhaben zu tun hatten, aus zwei halben Männern wieder einen ganzen zu machen, oder ob da vielleicht nicht noch etwas anderes war.
    Doch es gab auch schöne Momente. Allein zweimal in diesen Tagen besuchten sie Nachtwind und seine Herde, und vielleicht waren diese wenigen kostbaren Augenblicke die einzigen in all dieser Zeit, in denen ihre Mutter wirklich glücklich war; und vielleicht sogar zum letzten Mal in ihrem ganzen Leben, wie Arri später - aber dennoch viel, viel zu früh - einmal begreifen sollte.
    Arri fand die Vorstellung immer noch ziemlich kindisch, ein Tier, selbst ein so beeindruckendes wie den riesigen schwarzen Hengst, nicht nur als seinen Freund zu betrachten, sondern auch noch mit ihm zu sprechen wie mit einem Menschen, aber sie wollte ihrer Mutter die Freude nicht verderben, und so nahm sie sich fest vor, einfach mitzuspielen und zumindest so zu tun, als erginge es ihr genauso.
    In Wahrheit gelang es ihr selbst nicht, sich der Faszination dieser herrlichen Tiere zu entziehen. Sie redete sich ein, mit Nachtwind und den anderen Pferden herumzutollen, um ihrer Mutter einen Gefallen zu tun, aber in Wahrheit genoss sie es mindestens ebenso sehr wie Lea. Vor allem Sturmwind hatte es ihr angetan - oder sie es der schwarzweißen Stute, so genau vermochte sie das nicht zu sagen. Ganz wie bei ihrem ersten Zusammentreffen mit der Herde suchte die Stute nicht nur eindeutig ihre Nähe, sondern stupste sie immer wieder mit ihrer weichen Schnauze an, als wollte sie sie tatsächlich zum Spielen herausfordern.
    Als sie das dritte Mal zu den Pferden kamen, wartete Sturmwind bereits auf sie, und diesmal musste sie sich kaum noch verstellen, um so zu tun, als bereite es ihr Freude, sich dem Tier zu widmen. Ihre Mutter enthielt sich zwar jeder Bemerkung, aber Arri entgingen die wohlwollenden Blicke nicht, die sie ihr immer wieder zuwarf. Anscheinend war es ihr wenigstens gelungen, ihrer Mutter eine Freude zu machen.
    Doch sie kamen nicht nur den weiten Weg hier heraus, um mit der Herde zu spielen. Arri lernte eine Menge über die Tiere, nicht nur über Nachtwind und seine Herde, sondern über Pferde überhaupt, ihre Aufzucht und Pflege und ihre besonderen Charaktereigenschaften, und hätte sie es nicht schon längst gewusst, so hätte ihr spätestens der Ausdruck in den Augen ihrer Mutter klargemacht, wie glücklich sie in diesen wenigen Augenblicken war. Sie erzählte nicht bloß von Pferden im Allgemeinen, sondern auch von dem Tier, das sie selbst als Kind gehabt hatte, und so - vielleicht sogar, ohne dass sie es wollte - erzählte sie Arri auf diese Weise mehr über ihr früheres Leben, als sie es in all der Zeit zuvor freiwillig getan hatte. Arri hörte gebannt zu und hing nur so an ihren Lippen. Ihre Mutter hatte seit jener ersten Nacht im Wald nie wieder von ihrem früheren Leben und ihrer Heimat gesprochen und war auch allen direkten Fragen Arris beharrlich ausgewichen.
    Sie befanden sich auf dem Rückweg und waren gar nicht mehr weit vom Dorf entfernt, als Arri all ihren Mut zusammennahm und sie schließlich die Frage stellte, die ihr schon so lange auf der Seele brannte. Es war tief in der Nacht. Wie jedes Mal, wenn sie bei den Pferden gewesen waren, war der Nachtzenit schon längst überschritten, und sie würden dem nächsten Morgen näher sein als dem vergangenen Abend, bis sie endgültig nach Hause kamen. Immerhin hatten sie den schwierigeren Teil des Weges bereits hinter sich gebracht und gerade die Quelle passiert, sodass sie nun ein wenig besser vorwärts kamen. Lea schritt mit einem hörbar erleichterten Seufzer rascher aus, kaum dass sie die Lichtung hinter sich gelassen hatten, und Arri schlang den schweren wollenen Umhang, den sie gleich ihrer Mutter um die Schultern geworfen hatte, zwar fröstelnd enger zusammen, versuchte aber gleichzeitig auch, ihre Schritte noch ein wenig mehr zu beschleunigen.
    Der Sommer war endgültig vorbei, und auch wenn die Sonne sich tagsüber noch mit einem Übermaß an Wärme und klarer Helligkeit fast trotzig gegen das Unvermeidliche aufzulehnen schien, so wurde es doch nach Einbruch der Dunkelheit empfindlich kühl. Jetzt, in der kältesten Zeit der Nacht, konnte sie ihren Atem bereits als grauen Dampf vor dem Gesicht aufsteigen sehen. Die Luft legte sich wie ein dünner, eisiger Film auf ihre Haut, und Kälte und Feuchtigkeit krochen langsam, aber

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