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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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matten Lächeln und einem irgendwie sanft wirkenden Kopfschütteln. »Aber es sind sieben, glaub mir. Dort oben ist der Sitz der Götter, und von dort aus sehen sie uns zu und wachen über unser Schicksal.«
    Arris Verunsicherung stieg noch weiter. Ihre Mutter sprach sehr selten über die Götter, und wenn, dann tat sie es zumindest mit bitterer Stimme, in der immer ein leiser, aus einem niemals ganz überwundenen Zorn geborener Vorwurf mitschwang, wenn sie nicht gleich ganz offen mit ihnen haderte; und doch spürte sie, dass die Worte in diesem Moment nicht einfach nur so dahingesagt waren. Viel mehr war da plötzlich etwas in ihrer Stimme - und auch auf ihrem Gesicht -, was Arri ein kurzes Frösteln über den Rücken laufen ließ. Sie hätte nicht geglaubt, dass ihre Mutter überhaupt zu einer solchen Empfindung fähig wäre, und doch spürte sie die Ehrfurcht, die sie plötzlich ergriffen hatte, aber auch etwas wie eine stille, resignierende Trauer; als spräche sie über etwas unglaublich Kostbares, das sie verloren hatte und von dem sie wusste, dass sie es nie wieder zurückerlangen konnte.
    »Die Götter?«, wiederholte sie. »Aber ich dachte, du glaubst nicht an sie?«
    »Vielleicht glauben sie ja noch an mich«, erwiderte Lea traurig. »Und vielleicht will ich nur nicht mehr an sie glauben.«
    »Weil sie dir so viel genommen haben?«
    »Ich habe es versucht«, antwortete Lea, ohne damit wirklich auf ihre Frage zu antworten. Ihr Blick war wieder nach oben gerichtet, doch Arri hatte das Gefühl, dass ihre Mutter dort etwas vollkommen anderes sah als sie. »Es ist mir nicht gelungen. Vielleicht bin ich zu schwach. Vielleicht sind die Menschen auch dazu verdammt, an etwas wie die Götter zu glauben. Vielleicht ist auch einfach nur die Vorstellung unerträglich, dass es sie nicht gibt.«
    »Warum?«, fragte Arri verstört. »Wieso willst du an etwas glauben, das du doch eigentlich hasst?«
    »Weil es leichter ist, etwas zu haben, dem man die Schuld geben kann«, antwortete Lea fast im Flüsterton. Bildete es sich Arri nur ein, oder schimmerten plötzlich Tränen in ihren Augen? »Wenn da oben nichts ist, Arianrhod, wozu sind wir dann hier? Wenn das alles hier keinem höheren Ziel dient, wozu gibt es uns dann?«
    Es war keine Frage, auf die ihre Mutter wirklich eine Antwort erwartet hätte, das spürte sie, und doch zerbrach Arri sich für einen Moment den Kopf darüber, was sie darauf sagen könnte. Ihre Mutter kam ihr zuvor, indem sie den Blick mit einem Ruck von den kalt blitzenden Diamantsplittern oben am Nachthimmel losriss und sich zu einem Lächeln zwang.
    »Du hast mich gefragt«, fuhr sie nach einer spürbaren Pause und in verändertem, aber gefasstem Ton fort, »warum dieses Schwert so wertvoll für mich ist.«
    »Weil es das Einzige ist, was du aus deiner Heimat mitgebracht hast«, antwortete Arri, »und weil es eine mächtige Waffe ist, der nichts widersteht.«
    Ihre Mutter lächelte, als hätte sie etwas sehr Dummes gesagt, was sie aber nicht besser wissen konnte. Sie nickte zwar, sagte dann aber: »Nein. Jede Waffe ist immer nur so mächtig wie derjenige, der sie führt. Du hast Recht - dieses Schwert ist das Einzige, was ich mitbringen konnte, aber es ist nicht nur ein bloßes Erinnerungsstück, und es ist sehr viel mehr als nur eine Waffe.«
    Sie drehte das Schwert behutsam auf der Handfläche herum, sodass Arri nun die Rückseite des Knaufes sehen konnte. Sie unterschied sich von der vorderen. Auch sie bestand aus dunkelgrünem Stein, der mit goldenen Einlegearbeiten verziert war, kleine Punkte, Striche und Halbkreise, die sich jedoch in einer vollkommen anderen Anordnung darboten als auf der vorderen Seite. »Dieses Schwert wird eines Tages dir gehören, Arianrhod. Es ist dein Erbe; vielleicht das Kostbarste, was jemals einem Menschen hinterlassen worden ist. Es ist nicht die Schärfe seiner Klinge, die es so wertvoll macht, auch wenn sie alles zerschmettern kann, was die Menschen in diesem Land dagegen aufbieten könnten. Aber dies hier ist sein wahres Geheimnis.«
    »Das verstehe ich nicht«, sagte Arri.
    Lea nickte verständnisvoll. »Und wie auch? Das ist ja gerade das Geheimnis dieser Waffe, dass sie denen, die sie in Händen halten, die Macht über das Wohl und Wehe so vieler Menschen verleiht, und dass sie es auf so völlig andere Weise tut, als jeder ahnt, der ihr Geheimnis nicht ganz genau kennt.«
    Arri wartete darauf, dass sie von sich aus weitersprach, aber das tat ihre Mutter nicht.

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