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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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und sie blieb abrupt stehen und stieß einen tiefen Seufzer der Erleichterung aus.
    Sie waren kaum einen Steinwurf von ihrer Hütte entfernt aus dem Wald herausgetreten, und Arri erkannte nicht einmal einen Atemzug nach ihrer Mutter, dass die schilfgedeckte, auf doppelt armdicken Stelzen stehende Hütte unversehrt war. Der Feuerschein war jetzt viel deutlicher zu sehen, und für einen Augenblick ließ die Helligkeit die Umrisse des Hauses mit scharf abgegrenzten Linien vor dem flackernden roten Hintergrund erscheinen. Es war nicht ihr Heim, das brannte, dachte Arri erleichtert. Das Feuer - es war ein gewaltiges, scheinbar himmelhoch loderndes Feuer - brannte irgendwo dahinter, und ein Stück höher.
    Es war das Dorf, das brannte.
    Arris Erleichterung, ihr Heim unversehrt vorzufinden, hielt kaum einen Augenblick länger an als das ganz ähnliche Gefühl, das ihre Mutter gehabt haben musste. Lea stieß einen zweiten, diesmal erschrockenen Seufzer aus und stürzte weiter, und Arri zögerte nur einen Herzschlag lang, bevor sie ihr folgte. Nicht mehr von den Bäumen und dem Unterholz des Waldes abgeschirmt, war der Feuerschein jetzt so grell, dass er in den Augen schmerzte, und sie spürte die Hitze tatsächlich. Auch der durchdringende Gestank von brennendem Holz war nicht mehr eingebildet, und darunter war noch ein anderer, schlimmerer Geruch, den sie in ihrer Aufregung nicht sofort einzuordnen vermochte, der ihrer Furcht aber neue Nahrung gab.
    Arri rannte, doch sie verlor den Anschluss, noch bevor sie die halbe Strecke zur Schmiede hinauf zurückgelegt hatte, und ihre Angst um ihre Mutter bekam einen neuen, hässlicheren Unterton. Ganz egal, wie abfällig und bitter sich ihre Mutter manchmal über die Menschen im Dorf äußern mochte - Arri kannte sie gut genug, um zu wissen, dass sie keinen Augenblick zögern würde, ihr eigenes Leben für einen von ihnen aufs Spiel zu setzen. Und so, wie es vor ihnen aussah, musste das ganze Dorf in Flammen stehen.
    Arri versuchte fast verzweifelt, noch schneller zu laufen. Auf halbem Wege ließ sie ihren Umhang fallen, und als sie das letzte, steil ansteigende Stück in Angriff nahm, schleuderte sie auch die Sandalen von den Füßen. Dennoch schienen sich die Umrisse ihrer Mutter in dem lodernden Rot einfach aufgelöst zu haben, lange, bevor sie die Stelle erreichte, an der die Hütte des blinden Mannes stand.
    Um genau zu sein, erreichte sie sie gar nicht, denn schon, als sie noch ein Dutzend Schritte davon entfernt war, wurden die Hitze und das grelle, jetzt nicht mehr rote, sondern fast weiße Licht so unerträglich, dass sie schützend den Arm vor das Gesicht riss und stehen bleiben musste. Aufgeregte Stimmen und Schreie drangen an ihr Ohr, das Trappeln zahlloser schwerer Schritte, Rufe und Gebrüll. Sie glaubte Schatten im tanzenden Weiß vor sich zu erkennen, dann drehte der Wind und fegte ihr eine so gnadenlose Hitze ins Gesicht, dass sie zwei oder drei Schritte zurückstolperte und qualvoll hustete. Das gleißende Licht trieb ihr die Tränen in die Augen. Halb blind und noch immer den rechten Arm schützend vor das Gesicht gehoben, drang sie in das dichte Unterholz am Wegesrand ein, stolperte prompt über eine Wurzel und wäre um ein Haar gefallen, hätte sie sich nicht im letzten Augenblick mit ausgestreckten Händen an einem Baum abgestützt.
    Doch sie zog die Arme mit einem Schmerzensschrei wieder zurück. Der Baum war so heiß, dass seine Rinde zu glühen schien. Hitze und Licht waren so gewaltig, dass sie ständig gegen einen heftigen Hustenreiz ankämpfen musste und nur verschwommene Schatten und Bereiche unerträglicher Helligkeit wahrnahm. Immerhin sah sie, dass sich das Feuer auf einen kleinen Bereich links von ihr konzentrierte. Auch der Hintergrund dort glühte rot, aber nicht mehr so unerträglich, als wäre der Sonnenwagen hinabgestürzt.
    Arri taumelte hustend auf diesen Bereich zu, und die Stimmen und der Lärm wurden lauter. Sie glaubte in all dem Durcheinander die Stimme Rahns herauszuhören, aber wo war ihre Mutter? Mittlerweile war der Brandgeruch so unerträglich geworden, dass sie schon allein deshalb kaum noch atmen konnte. Hustend und qualvoll nach Luft ringend, taumelte sie auf den Weg zurück - und riss mit einem erschrockenen Keuchen die Hände vors Gesicht, als sie von einem eiskalten Wasserschwall getroffen wurde.
    Nach der grausamen Hitze war das Wasser so kalt, dass es wie ein Schlag ins Gesicht war. Schatten tanzten in ihren Augenwinkeln, und

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