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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Behältnisse unterschiedlichster Form und Größe nicht einfach weiterreichen konnten, sondern zu einem kräftezehrenden und vor allem zeitraubenden Hin und Her gezwungen waren. Lea riss einem Kind, das unter dem Gewicht eines gefüllten Kruges fast zusammenzubrechen schien, seine Last kurzerhand aus den Fingern, fuhr herum und versetzte Arri aus der Bewegung heraus einen Stoß, der sie an den Platz des Jungen beförderte. »Hilf mit!«, schrie sie, während sie bereits im Laufschritt wieder davonhetzte.
    Und genau das tat Arri. Kessel, Krüge, Töpfe - einmal sogar eine geflochtene Schale, auf deren Boden wie durch ein Wunder eine winzige Wasserpfütze schwappte (Arri warf sie in hohem Bogen weg) - wurden ihr gereicht, und sie gab sie weiter, wankte hin und her, vor und zurück und sah immer wieder zu der brennenden Hütte hin. Die Flammen schienen nicht kleiner zu werden, beinahe als gäbe das Wasser, das die verzweifelten Dorfbewohner hineinschütteten, ihnen neue Nahrung, statt sie zu ersticken. Von Achks Hütte konnte längst nichts mehr übrig sein.
    Arri verdrängte die Frage, was aus dem blinden Schmied und seinem einarmigen Gehilfen geworden sein mochte, mit fast verzweifelter Kraft an den Rand ihres Bewusstseins. Sie hatte geglaubt, den Alten zu verachten und den Jäger zu fürchten, und etwas davon entsprach auch der Wahrheit, und doch wurde ihr plötzlich klar, wie sehr sie sich in den wenigen zurückliegenden Tagen an diese beiden ungleichen Männer gewöhnt hatte. Nicht, weil sie plötzlich ihre Verbundenheit gegenüber den Dorfbewohnern im Allgemeinen entdeckt hätte, sondern weil diese beiden vielleicht mittlerweile die Einzigen waren, die ihre Mutter zwar sicherlich nicht als ihre Freunde bezeichnen konnte, die aber zumindest nicht ihre Feinde waren.
    Das Feuer wütete noch eine geraume Weile. Allen Bemühungen der Dorfbewohner zum Trotz schienen die Flammen anfangs tatsächlich noch höher zu lodern, statt an Kraft einzubüßen. Die Hitze war selbst hier mitten auf dem Dorfplatz deutlich zu spüren, und der Wind trug den Qualm in erstickenden Schwaden zu ihnen herauf, sodass nicht nur Arri ihre Arbeit immer wieder unterbrechen musste, um qualvoll und hustend nach Atem zu ringen.
    Dazu kam die Sorge um ihre Mutter. Lea tauchte immer wieder auf, um irgendein Gefäß mit Löschwasser an sich zu reißen und damit davonzustürzen, als hätte sie sich vorgenommen, das Feuer ganz allein zu löschen, und Arri entging nicht, dass die Anzahl der Brandflecken auf ihren Kleidern nahezu jedes Mal zunahm. Sie versuchte sich damit zu beruhigen, dass ihre Mutter von allen im Dorf mit Sicherheit am besten wusste, wie sie auf sich aufpassen konnte, aber dieser Gedanke änderte rein gar nichts daran, dass sie ein Dutzend Mal am Rande der Panik war, wenn ihre Mutter länger als ein paar Augenblicke wegblieb.
    Der Kampf gegen das Feuer schien die ganze Nacht zu dauern. In Wahrheit verging nur ein Bruchteil dieser Zeit, bis die Flammen schließlich doch kleiner wurden und aus dem verzehrenden Weiß zuerst ein loderndes Gelb und dann ein ganz allmählich dunkler werdendes Rot wurde, bevor sich das Feuer in seiner Raserei selbst zu verzehren begann. Doch Arri war schon lange vor Ablauf dieser Zeit zu Tode erschöpft von den schweren Krügen und Töpfen, die sie ununterbrochen entgegennehmen und weiter tragen und reichen musste. Jeder einzelne Muskel in ihrem Körper war verkrampft und schmerzte, und mit jeder noch so winzigen Bewegung kam sie dem Punkt näher, an dem sie einfach nicht mehr weiterkönnen und zusammenbrechen würde. Ein- oder zweimal sah sie Rahn, der mit gleich zwei randvoll gefüllten Wasserkrügen in den Armen vorüberhastete, und sie glaubte auch Kron zu sehen, war aber nicht ganz sicher und hatte nicht die Kraft, auch nur mit Blicken nach ihm zu suchen.
    Die Wut des Feuers ließ stetig nach, und das Licht war bald nicht mehr so grell, dass es ihr die Tränen in die Augen trieb, wenn sie auch nur in die falsche Richtung sah. Von Achks Hütte würde am Ende nicht mehr als Asche übrig bleiben, und vielleicht nicht einmal das. Doch mittlerweile mussten sie sich um einen neuen Brandherd kümmern. Mindestens ein Dutzend umstehender Bäume hatten Feuer gefangen, und die Dorfbewohner kämpften jetzt nicht mehr darum, die Hütte des blinden Schmieds zu retten (falls sie das je getan hatten), sondern darum, ein Übergreifen der Flammen auf den angrenzenden Wald zu verhindern, was den Untergang des gesamten

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