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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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zurückwich und hinter den Schamanen trat; als hätte er Angst, in etwas hineingezogen zu werden, mit dem er lieber nichts zu tun haben wollte. Für einen winzigen Moment wollte sich der verrückte Gedanke in Arris Kopf einnisten, dass er es auch tat, um den Alten im Zweifelsfall packen und von ihr wegzerren zu können, doch sie sagte sich zugleich selbst, wie närrisch diese Vorstellung war. Ganz egal, was ihre Mutter Rahn auch versprochen oder bereits gegeben hatte, der Fischer war viel zu feige, um in der Öffentlichkeit derart deutlich Stellung zu beziehen.
    »Wirst du gefälligst antworten, wenn ich mit dir rede?«, fuhr Sarn fort. Arris beharrliches Schweigen schien ihn immer wütender zu machen. Herausfordernd trat er auf sie zu und schwenkte den knorrigen Stab, auf den er sich bisher gestützt hatte.
    Arri machte eine erschrockene und ganz unbewusst abwehrende Bewegung mit beiden Händen, die Sarn jedoch als Angriff auszulegen schien; vielleicht hatte er auch nur auf einen Vorwand gewartet. Bevor Arri ihre Bewegung auch nur halb zu Ende gebracht hatte, schwang er seinen Stock und schlug nach ihr.
    Der Hieb war lächerlich langsam und unbeholfen, und es bereitete ihr trotz aller Erschöpfung nicht die geringste Mühe, dem Schlag auszuweichen. Worauf sie nicht gefasst war, war Sarns zweiter Hieb, bei dem seine flache Hand so hart gegen ihre Schulter schlug, dass sie mit haltlos rudernden Armen rückwärts taumelte und dann ungeschickt auf das Hinterteil plumpste. Es tat so weh, dass ihr die Tränen in die Augen schossen, was Sarn aber anscheinend nicht zu genügen schien. Noch immer seinen Stock schwenkend und lautstark zeternd, setzte er ihr nach, während Rahn sich ebenso unauffällig wie konsequent ein gutes Stück zurückzog. So viel zu ihrer Hoffnung, dass er tatsächlich in ihrer Nähe blieb, um das zu tun, wofür ihre Mutter ihn bezahlte, nämlich auf sie aufzupassen.
    »Du unverschämtes Balg!«, zeterte Sarn. »Du wagst es, die Hand gegen mich zu heben? Ich werde dir den Respekt beibringen, den deine Mutter dich offensichtlich nicht gelehrt hat!«
    Er schwang den Stock noch höher und jetzt mit beiden Armen, und Arri wusste, dass er diesmal treffen würde.
    Als Sarn zuschlug, blitzte es silberhell hinter ihm auf. Sein Stock fuhr nicht auf Arri herab, sondern flog in hohem Bogen davon und verschwand in der Dunkelheit, und Sarn selbst taumelte zwei Schritte zur Seite und wäre um ein Haar gestürzt, wäre Rahn nicht plötzlich wie aus dem Boden gewachsen hinter ihm aufgetaucht, um ihn aufzufangen.
    »Was ist hier los?«, fragte Lea scharf. Sie hatte das Schwert wieder gesenkt, machte aber keine Anstalten, es vollends einzustecken, sondern funkelte Sarn und Rahn abwechselnd und auf eine Art an, als wäre nun sie es, die nur auf einen Vorwand wartete, um zuzuschlagen. »Musst du dich jetzt schon mit Kindern schlagen, Sarn?«, fragte sie aufgebracht. »Wenn du kämpfen willst, dann heb deinen Stock auf und greif mich an. Oder hast du Angst, von einer Frau besiegt zu werden?«
    Sie warf Arri einen raschen, aber aufmerksamen Blick zu - Alles in Ordnung? wandte sich dann wieder an den Schamanen und schob das Schwert in die breite Lederschlaufe an ihrem Gürtel. Die Härte in ihrem Blick nahm noch zu, als sie die Arme ausbreitete und in unverändertem Ton, aber hörbar lauter fortfuhr: »Nur zu, Sarn. Falls es mein Schwert ist, das du fürchtest - ich verspreche dir, dass ich es nicht ziehen werde. Nimm ruhig deinen Stock, wenn du Angst hast, gegen eine Frau zu kämpfen.«
    Arri stemmte sich umständlich in die Höhe. Ihre Knie zitterten noch immer, und ihr Herz jagte, als wolle es in ihrer Brust zerspringen. Sie war erleichtert, dass ihre Mutter ihr im letzten Moment zu Hilfe gekommen war - von Sarns Stock getroffen zu werden war nicht lustig. Der knorrige, halb mannslange Stab war schwer wie Stein und vermutlich ebenso hart. Ein Schlag damit hätte ihr glatt den Schädel zertrümmert - aber sie verstand nicht wirklich, was Lea jetzt tat. Niemand im Dorf mochte den Schamanen, aber er war ein alter Mann, der schon länger lebte als irgendein anderer aus ihrer Mitte, und sie selbst war die stärkste Frau, der Arri jemals begegnet war; vielleicht sogar der stärkste Mensch. Selbst Rahn fürchtete sie, auch wenn er das niemals zugeben würde. Lea gewann nichts, wenn sie diesen alten Mann einschüchterte. Ganz im Gegenteil. Wenn Sarn etwas vollkommen beherrschte, dann die Macht auszuspielen, die die Schwachen über

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