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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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die Starken hatten. Ihre Mutter musste das ebenso gut wissen wie sie.
    »Du wagst es, mich zu bedrohen?«, giftete der Schamane. »Aber was habe ich erwartet, von einer wie dir? Was du angerichtet hast, reicht dir ja anscheinend noch nicht.« Er riss seinen Arm los und bückte sich tatsächlich nach seinem Stock, allerdings nur, um sich schwer darauf zu stützen, und nicht, um damit auf Lea loszugehen. Er sprach auch nicht sofort weiter, sondern sah sich rasch nach allen Seiten um - vermutlich um sicherzugehen, dass er auch genügend Zuhörer hatte.
    »Seht ihr denn nicht, dass mit dieser Hexe das Unglück über uns alle gekommen ist?«, rief er mit nicht einmal viel lauterer, aber mit einem Male durchdringender und weithin hörbarer Stimme. »Sie behauptet, es gut mit uns zu meinen! Sie sagt, dass sie Geschenke bringt, aber ihre Geschenke bringen den Tod: Das neue Metall, das sie uns versprochen hat, hat Achk das Augenlicht gekostet! Sie hat uns gelehrt, bessere Ernten zu erzielen, aber seither sind die Winter kälter geworden, und das Frühjahr kommt immer später! Sie hat uns gelehrt, mehr Wild zu jagen, doch seither sind die Wälder voller Ungeheuer und böser Geister, und sie hat gesagt, sie werde uns helfen, in Frieden mit unseren Nachbarn zu leben und besseren Handel zu treiben, und jetzt schleichen Fremde durch die Wälder, die unsere Jäger töten und vielleicht unser aller Untergang planen!«
    Er fuchtelte mit seinem Stock in die Richtung, in der die Glut der brennenden Schmiede allmählich zu verblassen begann. »Wir haben es nur der Gnade der Götter zu verdanken, dass das Feuer nicht auf das ganze Dorf übergegriffen hat! Wir alle hätten zugrunde gehen können!«
    Wenn diese Worte ihre Mutter irgendwie beeindruckten, so ließ sie es sich jedenfalls nicht anmerken. Lea strich mit den Fingerknöcheln über den Schwertgriff. »Ich frage mich, der Gnade welcher Götter wir es wohl zu verdanken haben, dass das Feuer überhaupt ausgebrochen ist«, sagte sie in fast heiterem Tonfall. Sie lächelte sogar, aber ihre Augen blieben dabei so kalt und hart wie Eis.
    Sarn ächzte. »Du wagst es, die Götter auch noch zu verhöhnen, Weib?«
    »Ich wage es, eine Frage zu stellen«, erwiderte Lea ruhig, schnitt dem Dorfältesten aber zugleich mit der linken Hand das Wort ab, noch bevor er überhaupt noch etwas sagen konnte. Ihre andere Hand ruhte weiter auf dem Schwergriff. »Und wenn du fertig damit bist, den Zorn der Götter auf mein Haupt herabzubeschwören, alter Mann, dann könntest du mir ja dabei helfen, die Verwundeten zu versorgen.« Sie drehte sich mit einem Ruck herum. »Arianrhod, komm mit! Wir haben eine Menge Arbeit.«

12
    »Glaubst du, dass das klug war?«, fragte Arri, nachdem sie sich wieder auf den Weg zu Achks ehemaliger Hütte gemacht hatten und kaum, dass sie auch nur halbwegs aus der Hörweite des Schamanen heraus waren. Obwohl ihre Mutter ganz genau wissen musste, wovon sie sprach, zögerte sie kurz und sah sie mit einem Verständnislosigkeit vorspiegelnden Stirnrunzeln an. »Was?«
    »Sarn so zu reizen«, antwortete Arri. »Die Götter zu beleidigen.«
    »Wie kann ich seine Götter beleidigen, wenn ich nicht an sie glaube?«, gab Lea mit einem Kopfschütteln zurück. Sie beschleunigte ihre Schritte ein wenig, sodass Arri rascher ausgreifen und fast rennen musste, um nicht zurückzufallen. »Und was Sarn angeht - ich glaube nicht, dass er meine Antwort überhaupt gehört hat. Er hat sich diese Rede schon seit langem sorgsam zurechtgelegt und nur auf eine Gelegenheit gewartet, sie vor möglichst vielen Zuhörern loszuwerden.« Sie lachte ganz leise. »Glücklicherweise ist er nicht besonders gut in solchen Dingen. Niemand wird ihm glauben.«
    Was das anging, war Arri nicht annähernd so sicher, wie ihre Mutter es zu sein schien. Niemand hatte Sarn laut zugestimmt, und sie war noch viel zu erschrocken und aufgeregt gewesen, um außer in Rahns auch nur in ein einziges anderes Gesicht zu blicken, aber ihrer Mutter konnte so wenig wie ihr entgangen sein, wie sehr sich die Stimmung im Dorf in den letzten Tagen gegen sie gewandt hatte. Ihre Mutter mochte durchaus Recht haben - Sarn war gewiss kein begnadeter Redner. Aber die Menschen im Dorf waren einfache Menschen, bei denen einfache Worte besser ankamen und nachhaltiger wirkten als eine geschliffene Rede, wie sie Lea zu führen vermochte. Ihre Mutter musste das ebenso gut wissen wie sie; genau, wie sie besser als sie wissen musste, welchen schlimmen

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