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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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spät, um jetzt umzukehren. Vorsichtig ging sie weiter, hielt unmittelbar vor dem Waldrand wieder an und ließ sich halb in die Hocke sinken, um die Deckung eines großen Farns auszunutzen, der dort wuchs.
    Der Anblick, der sich ihr bot, war so verblüffend, dass sie für einen Moment mitten in der Bewegung innehielt. Sie hatte sich nicht getäuscht. Ihre Mutter stand tatsächlich nur ein kleines Stück vor ihr, kaum fünf oder vielleicht sechs Schritte entfernt. Sie sprach jetzt nicht mehr und hatte den rechten Arm halb erhoben, wie um jemandem mit einem Wink zu verstehen zu geben, dass er verschwinden sollte, aber sie drehte ihr den Rücken zu. Und sie trug nun nicht mehr den schwarzen Kapuzenumhang, sondern nur noch ihr knöchellanges Kleid, das für die Jahreszeit und vor allem die Witterung viel zu dünn war. Das Haar fiel ihr offen bis weit über die Schultern hinab und in ungebändigten Strähnen fast bis in die Mitte des Rückens, statt zu einem strengen Pferdeschwanz zusammengebunden zu sein wie am Morgen, als Arri sie das letzte Mal gesehen hatte, und auf den zweiten Blick fiel Arri auch auf, dass sie selbst ihr Schwert abgeschnallt hatte. Das war mehr als ungewöhnlich, denn ihre Mutter trennte sich nie von ihrem Schwert, so lange es nicht an seinem Platz an der Wand neben ihrem Stuhl hing.
    Jetzt lehnte es zwei Schritte entfernt an einem Baum. Ihr Umhang und auch die einfachen Schnürsandalen, die sie am Morgen getragen hatte, lagen daneben im Gras. Den erstaunlichsten Anblick aber bot das klobige, vierrädrige Gefährt, das neben ihrer Mutter stand. Bei flüchtigem Hinsehen hätte man es mit dem Ochsenkarren verwechseln können, von dem Rahn vorhin gesprochen hatte, aber dieser Vergleich hätte nicht einmal einem zweiten Blick standgehalten. Der Wagen war flacher und ein Stück länger als der Ochsenkarren, der allen Dorfbewohnern gemeinsam gehörte, hatte aber höhere Seitenwände, und auch die schweren hölzernen Räder entsprangen zwar dem gleichen Grundgedanken, wirkten aber irgendwie eleganter, und vor allem - er hatte vier Räder statt der üblichen zwei. Von den beiden Ochsen, die das Gefährt ziehen sollten, war keine Spur zu sehen.
    Arri stand behutsam wieder auf und versuchte noch vorsichtiger, den Farn auseinander zu biegen, um kein verräterisches Geräusch zu machen, aber sie war entweder nicht vorsichtig genug gewesen, oder die Sinne ihrer Mutter waren noch schärfer, als sie ohnehin angenommen hatte.
    Vollkommen ansatzlos wirbelte Lea herum, und noch bevor sie die Bewegung ganz zu Ende gebracht hatte, wurde aus ihrem gelösten Dastehen die sprungbereite Haltung einer Raubkatze. Die Überraschung verschwand so schnell, wie sie gekommen war und machte blankem Zorn Platz. »Arri?«, murmelte sie. »Also habe ich mich doch nicht getäuscht. Du bist nachlässig. Ich habe dich gehört und deinen Schritt erkannt, da warst du noch nicht ganz aus dem Wald herausgetreten.« Ihre Stimme wurde härter. »Was hast du hier zu suchen, Arianrhod?«
    Arri gab ihren ohnehin sinnlos gewordenen Versuch auf, möglichst lautlos durch den Farn zu treten, und machte einen entschlossenen Schritt ganz aus dem Wald heraus, und beinahe wäre es ihr sogar gelungen, sich selbst davon zu überzeugen, dass das Zittern ihrer Knie tatsächlich an dem anstrengenden Weg hierher lag.
    »Ich habe dich gefragt, was du hier.«, setzte Lea ein weiteres Mal an und in noch schärferem Ton, brach aber dann mit einem erschrockenen Laut ab, und ihr Gesichtsausdruck änderte sich abermals und noch gründlicher, als sie sah, in welchem Zustand ihre Tochter war. Sie machte einen Schritt auf sie zu, blieb dann aber stehen und warf einen hastigen Blick über die Schulter in die Richtung, in die sie zuvor gesehen und auch gewunken hatte, dann ging sie weiter, und für einen Moment wünschte sich Arri nichts mehr, als dass sie sie einfach in die Arme schließen und festhalten würde. Aber sie kannte ihre Mutter auch gut genug, um zu wissen, dass sie es nicht tun würde.
    »Was ist passiert?«, fragte Lea. »Wer hat das getan? Woher weißt du, dass ich hier bin?«
    »Deine Spur«, antwortete Arri. »Ich bin einfach deiner Spur gefolgt. Es war leicht. Du warst nicht besonders vorsichtig.«
    »Ist dir jemand gefolgt?« Leas Blick tastete aufmerksam über den Waldrand hinter Arri und kehrte dann wieder zu ihrem Gesicht zurück. Jetzt, nachdem ihr erster Schrecken verstrichen war, sollte sich eigentlich Sorge um sie oder doch wenigstens

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