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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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»Wenn du ihn umbringst, kannst du mich genauso gut auch gleich selbst töten.«
    Rahn riss die Hand in die Höhe, um sie zu schlagen, aber dann ergriff er sie stattdessen nur grob bei den Armen. Er packte so fest zu, dass sie schon wieder vor Schmerz keuchte, und schüttelte sie ein paar Mal. Ihr Kopf flog haltlos in den Nacken, und ihre Zähne schlugen so fest aufeinander, dass sie Blut schmeckte. »Sarn und die anderen haben Recht, weißt du?« Seine Stimme bebte vor Wut. »Du bist wirklich die Tochter deiner Mutter! Sie kann stolz auf dich sein!«
    Einen Moment lang funkelte er sie an, erfüllt von einer so bodenlosen Wut, dass Arri fast körperlich spüren konnte, wie schwer es ihm fiel, nicht einfach so lange auf sie einzuschlagen, bis sie sich nicht mehr rührte, dann aber ließ seine Linke plötzlich ihren Arm los und grabschte ihr mit solcher Kraft zwischen die Beine, dass sie ein klägliches Wimmern ausstieß. Arri wand sich in seinem Griff und versuchte sich loszureißen, aber es war sinnlos.
    »Wenn ich schon für etwas bezahlen soll, was ich nicht getan habe, dann kann ich es mir doch eigentlich auch nehmen, oder?«, zischte er hasserfüllt. Sein Gesicht war jetzt so nahe vor dem Arris, dass sie seinen Atem spüren konnte. Er roch schlecht und ging fast so schnell wie ihr eigener. »Vielleicht ist es ja das, was du brauchst! Du glaubst, du wärst alt genug, um mit Erwachsenen deine Spielchen spielen zu können, du dumme Göre? Meinetwegen, aber dann musst du auch darauf gefasst sein, wie eine Erwachsene behandelt zu werden!«
    Er griff noch fester zu. Seine Finger wollten für einen Moment durch den Stoff ihres Rockes in sie eindringen, und es tat weh, so sehr, dass Arri sich krümmte und mit der freien Hand nach ihm schlug. Rahn grunzte vor Schmerz, als ihre Fingernägel seine Wange zerkratzten, und versetzte ihr einen Stoß, der sie ein paar Schritte weit zurücktaumeln ließ.
    »Verschwinde bloß!«, sagte er. »Lauf doch zu deiner verdammten Mutter! Vielleicht fressen euch ja beide die Wölfe!« Und damit fuhr er auf dem Absatz herum und stampfte wütend davon.
    Arri sank wimmernd auf die Knie. Noch immer drehte sich alles um sie. Rahns Griff war so brutal gewesen, dass sie seine Hände noch immer schmerzhaft auf ihrem Körper zu spüren glaubte. Das Blut rauschte in ihren Ohren. Ihr Herz pochte, als wollte es aus ihrer Brust springen, und sie fühlte sich so elend wie selten zuvor in ihrem Leben. Sie hatte alles falsch gemacht. Sie war sich so schlau vorgekommen, mit ihrem genialen Plan, dabei hatte nur eine Winzigkeit gefehlt, und sie hätte sich selbst um Kopf und Kragen gebracht. Rahn hatte Recht: Sie war sicherlich kein Kind mehr, aber sie hatte sich eindeutig wie eines benommen. Was sie getan hatte, war dumm, dumm, dumm gewesen.
    Und so ganz nebenbei hatte sie ihr Ziel erreicht.
    Es dauerte eine ganze Weile, bis diese Erkenntnis in ihre Gedanken sickerte. Es war riskant gewesen, aber am Ende hatte sie Erfolg gehabt. Oder vielleicht auch einfach nur Glück. Sie blieb noch eine Zeit lang auf den Knien hocken und wartete ab, bis die Dämmerung mit ganzer Kraft hereingebrochen war und auch aus dem Schwarz zwischen den Bäumen ein allmählich lichter werdendes Grau wurde, dann stemmte sie sich mühsam hoch und humpelte los, um nach der Spur ihrer Mutter zu suchen.

16
    Schon sehr bald war es auch unter dem dichten Blätterdach des Waldes halbwegs hell geworden, doch dafür hatte Arris Verzweiflung eine Düsternis erreicht, die sie sich zuvor nicht einmal hatte vorstellen können. Sie hatte die Spur ihrer Mutter gefunden und wieder verloren, wieder gefunden und noch einmal verloren, und abermals gefunden, vielleicht ein halbes Dutzend Mal oder mehr, und sie war längst nicht mehr sicher, ob es tatsächlich noch die richtige Fährte war, der sie folgte, oder eine der zahllosen anderen Spuren, die sie selbst zusammen mit ihr hinterlassen hatte. Alles war falsch. Jeder Muskel in ihrem Körper tat weh, und der Wald, der bisher ein vertrauter Ort der Zuflucht für sie gewesen war, schien sich in etwas anderes verwandelt zu haben, einen düsteren Ort voller unheimlicher und bedrohlicher Dinge, die ihr Angst machten, statt ihr Schutz zu versprechen. Ihr Bein schmerzte. Jeder Atemzug, den sie nahm, wurde noch immer von einem dünnen Stich begleitet, und manchmal, wenn sie besonders tief einatmete, glaubte sie Blut zu schmecken.
    Mittlerweile hatte sie die Lichtung längst hinter sich gelassen und befand sich

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