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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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hatten. Arri wollte aufstehen und vom Bock klettern, doch ihre Mutter machte eine rasche, abwehrende Geste, sprang vom Wagen und verschwand mit schnellen Schritten in dem dicht wuchernden Grün, das die Felsen an drei Seiten einrahmte. Arri entging keineswegs, dass sie dabei den Umhang zurückschlug und die rechte Hand griffbereit auf das Schwert legte. Ganz abgesehen von den wilden Tieren, die sich vielleicht ganz in ihrer Nähe herumtrieben, gab es hier noch ganz andere, möglicherweise weit gefährlichere Räuber: Menschen. Oder um genauer zu sein: Menschen, die ihnen nicht wohlgesonnen waren.
    Es vergingen nur wenige Augenblicke, bis ihre Mutter zurückkam. Sie bemühte sich zwar, möglichst gelassen zu erscheinen, aber es gelang ihr nicht wirklich, den Ausdruck von Erleichterung auf ihrem Gesicht zu verbergen.
    »Wonach hast du gesucht?«, fragte Arri.
    »Gesucht?« Lea schüttelte unwirsch den Kopf. »Nach nichts. Ich habe mich umgesehen, das ist alles. Es bietet sich an, das zu tun, wenn man sein Lager in einer Umgebung aufschlägt, die man nicht kennt. Es sei denn, es macht dir nicht aus, in unmittelbarer Nähe einer Bärenhöhle zu übernachten oder im Revier einer Wildschweinrotte.«
    Arri stieg wortlos vom Wagen. Ihre Mutter hatte zwar Recht, aber das änderte nichts daran, dass das ganz bestimmt nicht der Grund für die Erleichterung gewesen war, die sie in ihren Augen las. Sie hatte etwas ganz Bestimmtes erwartet - nein: befürchtet - und es nicht vorgefunden.
    Sie hütete sich, auch nur eine entsprechende Bemerkung zu machen, sondern maß ihre Umgebung mit einem zwar verstohlenen, aber dennoch sehr aufmerksamen Blick. Die verwitterten Felsen, vor denen der Wagen angehalten hatte, bildeten eine nach drei Seiten hin geschlossene Barriere, die sie zuverlässig gegen Wind und Kälte, aber auch allzu neugierige Blicke schützen würde. Aber sie waren sichtlich nicht die ersten, die diesen Ort zu einer Übernachtung nutzten: Die Erde zwischen den Felsen trug die schwarzen Brandspuren zahlreicher Lagerfeuer, und hier und da meinte sie auch etwas zu gewahren, was verrottete Abfälle sein konnten. Misstrauisch geworden, blieb sie stehen und sah noch einmal in die Richtung zurück, aus der sie gekommen waren.
    Schon seit einer geraumen Weile waren sie bergab gefahren, obwohl das Gelände unweit vor ihnen wieder anstieg und, vielleicht noch mehrere Pfeilschüsse entfernt, zu einer steilwandigen Schlucht zwischen karstigen Hügeln wurde, die die Landschaft vor ihnen beherrschten. Arri hatte nicht wirklich auf den Weg geachtet, aber jetzt, als sie darüber nachdachte, war sie doch ziemlich sicher, dass der Wagen die meiste Zeit über in gerader Linie auf diesen Durchlass zwischen den Hügeln zugerollt war. Nur auf dem letzten Stück war er deutlich von diesem Kurs abgewichen und hatte einen regelrechten Schlenker gemacht. Nein, es war kein Zufall, dass sie an dieser kleinen Felsgruppe vorbeikamen, und ihre Mutter hatte sie ebenso wenig rein zufällig entdeckt.
    »Wie oft bist du schon hier gewesen?«, fragte sie geradeheraus.
    Ihre Mutter bedachte sie nur mit einem kühlen Blick und eilte an ihr vorbei zum hinteren Ende des Wagens. Während sie weiter geflissentlich so tat, als hätte sie ihre Frage gar nicht gehört, nahm sie zwei der großen Bündel, die auf der Ladefläche lagen, warf sie sich so mühelos über die Schultern, als wögen sie gar nichts, und trug sie, immer noch schweigend, zum Felsen hin. Arri fasste sich in Geduld, bis sich Lea ihrer Last entledigt hatte und abermals zurückkam, diesmal aber die Pferde ansteuerte.
    »Du kennst diesen Platz, habe ich Recht?«, fragte sie. »Du übernachtest nicht zum ersten Mal hier.«
    Wenn auch eindeutig widerwillig, so wandte Lea doch jetzt zumindest den Kopf in ihre Richtung und bedachte sie mit einem langen, stirnrunzelnden Blick. »Ja«, gestand sie. »Aber das ist schon eine Ewigkeit her. Hilf mir.«
    Dies war auch wieder eine von Leas Antworten, die im Grunde keine waren, sondern vielmehr ihre Art klarzumachen, dass sie über diese Angelegenheit nicht reden wollte. Aber Arri gedachte dieses Mal nicht, sich so einfach abspeisen zu lassen. Sie hatte kein besonders gutes Gefühl dabei - das Eis, auf dem sie sich bewegte, war dünn. Ihre Mutter hatte ihr offensichtlich vergeben, aber das bedeutete ganz gewiss nicht, dass sie dieses gerade erst so mühsam zurückgewonnene Vertrauen nach Belieben belasten und auf die Probe stellen konnte. Und trotzdem: Ihre

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