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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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auf dem linken Handrücken zuzog. Sie verbiss sich jeden Schmerzenslaut und gab Runa auch nicht die Genugtuung, sich zu beschweren, aber sie verbrachte einen gut Teil der Zeit, die sie für den Weg nach oben brauchten, damit, sich alle möglichen hässlichen Dinge auszumalen, die sie ihr antun könnte.
    Die kleine Öllampe, die sie zurückgelassen hatten, brannte noch immer, doch es war spürbar kälter geworden. Arri warf dem Mädchen zum Abschied einen giftigen Blick zu, bei dem sie sich allerdings selbst ziemlich albern vorkam. Runa reagierte auch gar nicht darauf, sondern ging wortlos hinaus und zog die Tür hinter sich zu. Arri wartete einen Moment lang auf das Geräusch ihrer Schritte auf der Stiege. Es kam nicht, aber sie verzichtete auch darauf, sofort zur Tür zu gehen und sie wieder zu öffnen. Sie war ziemlich sicher, dass Runa draußen stand und nur darauf wartete, dass sie ganz genau das tat, und auch diese Genugtuung gönnte sie ihr nicht.
    Stattdessen ging sie zu ihrer Matratze, setzte sich und wickelte sich so eng in ihren Umhang, wie sie konnte. Es half nicht viel. Es war mittlerweile so kalt hier drinnen, dass sie ihren eigenen Atem als grauen Dampf im blassen Licht der Lampe sehen konnte; aber sie hatte auch nicht vor, allzu lange so sitzen zu bleiben.
    Um genau zu sein, wartete sie gerade so lange, wie sie es an Runas Stelle getan hätte, wäre sie draußen vor der Tür gewesen - und noch eine Winzigkeit länger -, dann stand sie auf, schlich auf Zehenspitzen zur Tür und presste mit angehaltenem Atem das Ohr gegen das dünne Holz, um zu lauschen. Nichts. Arri gab noch ein halbes Dutzend Herzschläge zu, dann öffnete sie lautlos die Tür, trat in die vollkommene Dunkelheit hinaus und wäre um ein Haar kopfüber die Stufen hinuntergefallen, als sie über den Wolf stolperte, der unmittelbar hinter der Tür lag. Im letzten Augenblick gelang es ihr, die Arme auszustrecken und Halt an den rauen Wänden rechts und links zu finden, dann stolperte sie hastig einen Schritt zurück und ging dann tatsächlich ungeschickt zu Boden, denn der Wolf zeigte sich von ihrem Fußtritt wenig begeistert und schnappte knurrend nach ihr.
    Mühsam rappelte Arri sich wieder hoch, machte abermals einen Schritt in Richtung Flur und blieb wieder stehen, als das Tier drohend die Zähne fletschte. Allerdings rührte es sich nicht von der Stufe weg, auf der es der Länge nach lag. Wenigstens war das dumme Vieh nicht hier, dachte Arri grimmig, um sie aufzufressen, sondern sollte offensichtlich nur dafür sorgen, dass sie das Zimmer nicht verließ.
    Einen Moment lang spielte sie ernsthaft mit dem Gedanken, es einfach darauf ankommen zu lassen und auszuprobieren, wie ernst das Tier seine Aufgabe nahm, aber ein einziger weiterer Blick auf seine gefletschten Zähne ließ sie diesen Gedanken genauso schnell wieder verwerfen, wie er ihr gekommen war. Dieses Ungetüm würde seine Aufgabe ernst nehmen.
    Übellaunig und in Wahrheit viel wütender auf sich selbst als auf Runa oder gar den Wolf, ging sie zu ihrem Lager zurück und wickelte sich abermals in ihren Umhang. Aus dem großen Abenteuer, als das sie diese Reise bisher trotz allem empfunden hatte, begann allmählich ein mindestens ebenso großer Albtraum zu werden.
    Dennoch fühlte sie sich fast sofort schläfrig, kaum dass sie sich auf ihrem Lager ausgestreckt und den Umhang eng um sich gewickelt hatte. Ihre Mutter mochte wohl Recht haben, auch wenn sie das niemals offen zugegeben hätte: Die Reise war anstrengend gewesen, und sie war sehr müde. Jetzt, wo sie an ihrem Ziel angelangt waren, glaubte sie jeden Stein und jedes Kaninchenloch noch einmal zu spüren, über das die großen, hölzernen Räder des Wagens gerumpelt waren. Wahrscheinlich wäre es tatsächlich das Vernünftigste, dass sie versuchte zu schlafen, um morgen wenigstens einigermaßen ausgeruht zu sein, wenn sie sich auf den Rückweg machten.
    Kaum hatte sie diesen Gedanken gedacht, da machte sich Schläfrigkeit in ihr breit, der fast unmittelbar ein Gefühl bleierner Schwere folgte, das ihre Glieder ergriff. Arri spürte, wie ihre Gedanken wegdrifteten, und verscheuchte das Gefühl hastig. Sie wollte nicht einschlafen, so müde sie auch war; nicht jetzt, eingesperrt und allein in diesem kalten Raum, wo dies doch eigentlich der aufregendste Tag ihres bisherigen Lebens sein sollte. Obwohl sie im Grunde ganz genau wusste, wie albern dieses Benehmen war, nahm sie sich schon aus schierem Trotz vor, wach zu bleiben, bis

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