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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Schultern sinken und versuchte zumindest, beruhigend zu lächeln. »Nichts. Ich werde anscheinend langsam alt und fange schon an, Gespenster zu sehen.«
    Wenn sie vielleicht glaubte, dass diese Worte Arri beruhigten, so irrte sie sich. Ganz im Gegenteil - auch Arri sah sich plötzlich beunruhigt um und glaubte überall Bewegungen, Geräusche und Schatten zu sehen, die nicht dorthin gehörten. Doch jedes Mal, wenn ihr Blick die entsprechende Stelle streifte, war da nichts. Wahrscheinlich erging es ihrer Mutter ganz genauso, dachte sie. Sie musste unendlich viel erschöpfter sein als sie, und ganz egal, wofür Arri sie auch hielt und was zu sein sie versuchte, letzten Endes war sie nur ein Mensch, dessen Kräfte Grenzen kannten.
    Sie gingen weiter. Auf dem letzten Stück beschleunigte Lea ihre Schritte noch einmal unmerklich, sodass sie die Stiege vor ihr erreichte und bereits die Hälfte der Stufen überwunden hatte, bevor Arri auch nur einen Fuß auf die erste setzte, und sie beherrschte sich sogar und zog das Schwert erst dann halb aus dem Gürtel, als sie schon fast in der Hütte war und vermutlich der Meinung, dass Arri die Bewegung nicht sah.
    Erschrocken blieb sie stehen und lauschte, zwei, drei, schließlich ein gutes halbes Dutzend schwerer Herzschläge lang. Aber aus der Hütte drang nicht das mindeste Geräusch. Kein Schrei, kein Kampflärm, keine Schritte. Auf zitternden Knien ging sie weiter, benutzte beide Hände, um den klirrenden Muschelvorhang zu teilen und einzutreten.
    ... und hielt wie erstarrt mitten in der Bewegung inne.
    Lea stand nur zwei Schritte vor ihr. Sie hatte das Schwert halb aus dem Gürtel gezogen und den linken Arm seitlich ausgestreckt und sich zugleich mit weit gespreizten Beinen halb geduckt; eine Haltung, die Anspannung und Bereitschaft ausdrücken sollte, jetzt aber einfach nur müde wirkte. Und sie war nicht allein. Rahn saß auf der anderen Seite des Zimmers in dem hochlehnigen Korbstuhl, in dem ihre Mutter gewöhnlich Besuch empfing. Die Biberfelle vor den beiden Gucklöchern waren eingehängt, und es war nicht hell genug hier drinnen, um sein Gesicht erkennen zu können, doch Arri sah zumindest, dass er sich in herausfordernder Haltung in dem Korbstuhl flegelte, beide Arme betont besitzergreifend auf den breiten, an etlichen Stellen bereits gesplitterten Lehnen und das rechte Bein über das linke Knie geschlagen. Ein massiger Schatten lehnte griffbereit neben seiner rechten Hand an der Lehne; vielleicht ein Knüppel, vielleicht aber auch etwas Schlimmeres. Ihre Mutter hatte keine Gespenster gesehen.
    »Was willst du hier?« Leas Stimme zitterte (ganz leicht, aber Arri war nicht sicher, dass es nur Zorn war. »Was fällt dir ein, in mein Haus einzudringen?«
    »Ich habe auf dich gewartet«, antwortete Rahn. »Obwohl ich die Hoffnung schon beinahe aufgegeben hatte. du hast lange gebraucht. Das Jagd-Ernte-Fest hast du jedenfalls verpasst. Und damit auch die blutrünstigen Tieropfer, die Sarn diesmal mit ungewöhnlicher Inbrunst und Hingabe zelebriert hat, beinahe so, als seist du eines der Opfertiere, die er bei lebendigem Leib hat jämmerlich ausbluten lassen.«
    »Ich frage dich nicht noch einmal: Was willst du hier?« Lea zog das Schwert langsam ganz aus der bronzeverstärkten Schlaufe an ihrem Gürtel und richtete sich wieder auf, und obwohl ihre Haltung jetzt nicht mehr annähend so sprungbereit und aggressiv war wie noch vor einem Atemzug, wirkte sie auf sonderbare Weise drohender.
    Rahn schien aber nicht sonderlich beeindruckt, und ganz im Gegenteil lachte er leise, stemmte sich ächzend auf den Armlehnen des Stuhles hoch und ließ die Schultern dann wieder nach vorne fallen.
    »Aber Lea, das ist doch keine Art, einen alten Freund zu begrüßen. Eigentlich sollte ich dir jetzt böse sein. Immerhin habe ich die ganze Nacht hier gesessen und auf dich gewartet, und das, obwohl es im Dorf wohl kaum noch jemanden gibt, der gut auf dich zu sprechen ist, nachdem Sarn während des Opferritus die alten Götter über alle Maßen gepriesen hat - um dich dann ganz nebenbei voller Hass zu verfluchen.«
    »Du hast.« Lea brach ab, legte den Kopf schräg und sah Rahn einen Herzschlag lang durchdringend an. »Was soll das heißen? Und was ist mit Sarn? Welche Lügen hat er über mich verbreitet?«
    Rahn setzte zu einer Antwort an, die vermutlich noch spöttischer und herausfordernder ausgefallen wäre, dann aber erblickte er Arri, die einen Schritt hinter ihrer Mutter stehen geblieben

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