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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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bereits eine passende Antwort zurecht gelegt. Als er keine Gelegenheit bekam, sie loszuwerden, blitzte es in seinen Augen so wütend auf, dass Arri sich unwillkürlich spannte, dann aber verzog er nur noch einmal und noch verächtlicher die Lippen, drehte sich auf dem Absatz um und ging die paar Schritte zum Fluss hinunter. Arri blickte ihm unentschlossen nach. Ihr war ziemlich klar, was ihre Mutter jetzt von ihr erwartet hätte - nämlich, dass sie dem Fischer folgte und versuchte, ihn milder zu stimmen, oder dass sie sich gar für ihr Verhalten in den letzten Tagen ihm gegenüber entschuldigte. In einem plötzlichen Anflug seltener Vernunft war sie sogar nahe daran, ganz genau das zu tun, aber der Augenblick verging, ohne dass sie Gefahr lief, der Verlockung zu erliegen, und im nächsten Moment zupfte sie jemand am Ärmel. Arri fuhr verärgert herum, aber es war nur Osh, der zusammen mit einigen anderen Kindern aus dem Dorf hinter ihr aufgetaucht war. Der spöttische Ausdruck in seinen Augen verriet ihr, dass er ihr kleines Gespräch mit Rahn mit angehört hatte.
    »Dem hast du es aber gegeben«, sagte er hämisch.
    »Was willst du?«, fragte Arri unwirsch. Oshs Augen wurden schmaler, und Arri rief sich in Gedanken zur Ordnung. Sie musste Acht geben, ihren Ärger über Rahn - und vor allem natürlich über den Schamanen - nicht an dem Jungen auszulassen. Was Osh von ihr dachte oder über sie sagte, konnte ihr herzlich egal sein, aber angefangen von der Begegnung mit Sarn am Steinkreis, von der sie ihrer Mutter immer noch nichts erzählt hatte, hatte sie in den letzten Tagen wahrhaftig schon genug Schaden angerichtet. Etwas hatte sich geändert, grundlegend und unumkehrbar. Bisher hatte sich ihre Mutter selten eingemischt, wenn sie mit einem der anderen Kinder aus dem Dorf Streit hatte oder auch mit einem Erwachsenen, und sie allerhöchstens sanft zur Ordnung gerufen, wann immer sie der Meinung war, dass sie es zu toll trieb. Doch jetzt spürte sie, dass diese Zeiten vorbei waren. Vielleicht gehörte auch das zum Erwachsenwerden dazu, dachte sie; dass sie nicht mehr tun und lassen konnte, was sie wollte, und schon gar nicht sagen.
    »Ist es wahr, was Sarn über deine Mutter und dich erzählt?«, fragte Osh, der seine Überraschung überwunden und erneut ein hässliches Grinsen aufgesetzt hatte.
    »Das weiß ich nicht«, antwortete Arri. Nicht, dass sie es sich nicht denken konnte. »Was sagt er denn über uns?«
    Osh tauschte einen raschen, fast triumphierenden Blick mit den beiden dunkelhaarigen Jungen, die rechts von ihm standen, und Arri gemahnte sich im Stillen noch einmal und noch nachdrücklicher zur Ruhe. Osh und seine Freunde waren nicht zufällig gerade jetzt hier aufgetaucht, und sie waren zweifellos ebenso auf Streit aus, wie Rahn es gewesen war. Nur, dass sie Osh - so weit das überhaupt möglich war - für noch dümmer als den Fischer hielt. Vielleicht erfuhr sie ja von ihm, was hier eigentlich los war. Der Junge setzte zu einer Antwort an, aber Arri drehte sich fast gemächlich um und ging langsam zur ruhig dahinfließenden Zella hinunter; nicht direkt auf Rahn zu, aber doch ungefähr in seine Richtung. Wie sie erwartet hatte, folgten ihr Osh und die anderen. Ihr Herz schlug ein wenig schneller. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass die Jungen über sie herfallen würden - nicht jetzt und schon gar nicht hier, wo das ganze Dorf zusah - , aber man konnte schließlich nie wissen. Es war besser, sie blieb auf der Hut.
    »Der Stammesälteste sagt, dass deine Mutter und du schuld an all dem Unglück seid, das uns getroffen hat«, beantwortete Osh ihre Frage, nachdem er mit einigen schnellen Schritten zu ihr aufgeholt hatte und gerade dicht genug neben ihr herging, dass ihr seine Nähe unangenehm wurde.
    »So?«, meinte Arri. »Von welchem Unglück sprecht ihr denn? Von den besseren Ernten, die ihr habt, seit wir hier sind? Oder von all den Krankheiten, die meine Mutter geheilt hat? Oder den besseren Waffen und Werkzeugen, die ihr dank ihrer Hilfe herstellt?«
    Sie sah Osh bei diesen Worten nicht an, sodass sie seine Reaktion darauf nicht auf seinem Gesicht ablesen konnte, doch der gehässige Unterton seiner Stimme nahm noch zu. »Achk hat sein Augenlicht verloren, und deine Mutter ist schuld daran.«
    Arri blieb mitten im Schritt stehen und drehte sich so abrupt zu dem Jungen herum, dass er hastig einen halben Schritt vor ihr zurückwich und abwehrend die Hände hob. »Wer sagt das?«
    »Sarn«, antwortete

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