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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Grinsen wurde noch anzüglicher, während sein Blick zwischen Arri und ihrer Mutter hin und her wanderte. »Warum hast du nicht gesagt, dass deine Tochter auch noch kommt? Wir hätten es uns doch auch zu dritt gemütlich machen können.«
    Lea ignorierte ihn. »Arri! Wieso bist du zurück?«, fragte sie. »Du bist doch gerade erst. aber ich habe dir doch gesagt.«
    Arri schlug die Hände vor den Mund, fuhr herum und stürmte aus der Hütte. Aus den Augenwinkeln sah sie ihre Mutter nun vollends aufspringen, und sie hörte, wie sie ihren Namen rief, aber sie beachtete weder das eine noch das andere, sondern war mit einem einzigen gewaltigen Satz aus dem Haus. Sie lief die Stiege nicht hinunter, sondern sprang auf den Boden hinab. Um ein Haar wäre sie gestürzt.
    Sie ruderte hektisch mit den Armen und machte einen ungeschickten, stolpernden Schritt, bis es ihr gelang, das Gleichgewicht wieder zu finden. Blindlings und ohne nachzudenken wandte sie sich nach links und stürmte zurück in den Wald, aus dem sie vor wenigen Augenblicken erst geflohen war. Sie hörte, wie ihre Mutter den Muschelvorhang beiseite schlug, in der Türöffnung erschien und ihren Namen rief, zuerst laut und befehlend, dann in fast flehendem Ton und schließlich wieder laut und scharf. Sie achtete auch darauf nicht, sondern rannte weiter und stürmte blindlings in den Wald hinein, ohne auf die dornigen Zweige und tief hängenden Äste der Bäume zu achten, die in ihr Gesicht peitschten, an ihren Haaren zerrten und ihre Kleider zu zerreißen versuchten. Alles drehte sich um sie. Das Blut rauschte in ihren Ohren. Sie hatte noch immer das Gefühl zu fallen, und vielleicht war es ein Sturz, der niemals ein Ende nehmen würde.
    Irgendwann verklang die Stimme ihrer Mutter; nicht, weil sie aufgehört hatte, nach ihr zu rufen, sondern weil Arri schon viel zu weit entfernt war, um sie noch zu hören, und irgendwann - noch später -wurden ihre Schritte langsamer. Sie blieb nicht stehen, sondern lief immer noch weiter, rannte aber jetzt nicht mehr wie von grausamen Göttern gehetzt und blindlings durch den Wald, sondern wich zumindest den ärgsten Hindernissen aus, die ihr den Weg verstellten. Schließlich blieb sie stehen, taumelte gegen einen Baum und lehnte sich erschöpft und nach Atem ringend gegen die raue Borke.
    Sie war vollkommen entkräftet. Ihr Herz schlug so schnell, als wollte es in ihrer Brust zerspringen, und ihr Atem hatte sich in etwas Scharfes verwandelt, das versuchte, ihr die Kehle aufzuschlitzen. Sie hatte noch immer das Gefühl, dass sich die ganze Welt um sie drehte, aber nun war es ihre Erschöpfung und das rasende Hämmern ihres Herzens, die sie am ganzen Leib zittern ließen.
    Rahn! Warum Rahn? Warum hatte ihre Mutter das getan?
    Arri schloss die Augen, aber das machte es eher schlimmer, denn statt Dunkelheit sah sie erneut die schrecklichen, unvorstellbaren Bilder, die sich ihr eben noch geboten hatten. Ihre Mutter und Rahn! Das durfte nicht sein! Er war der Schlimmste von allen, auf seine Art vielleicht schlimmer als Sarn, ja sogar schlimmer als Nor, denn von allen Menschen im Dorf war er womöglich der Einzige, der keinen Grund für seine Bosheit brauchte, sondern sie einzig und allein nur quälte und demütigte, weil er Freude daran empfand.
    Nur ganz allmählich beruhigte sich Arris rasender Pulsschlag. Ihre Hände zitterten noch immer, jetzt aber vor Schwäche und Überanstrengung, und sie begann zu frieren, denn sie war am ganzen Leib in Schweiß gebadet, und hier, unter dem nahezu vollkommen geschlossenen Blätterdach des Waldes, war es zu dieser Jahreszeit schon kühl. Nach einer Weile bemerkte sie, dass ihr Arm wieder heftiger schmerzte. Sie sah hin und stellte fest, dass die Wunde wieder zu bluten begonnen hatte; wie es ihr vorkam, jetzt sogar heftiger als am Anfang.
    Mit zusammengebissenen Zähnen und spitzen Fingern tastete sie ihren Arm ab und wurde mit einem noch heftiger brennenden Schmerz belohnt, der ihr zwar ein leises Wimmern entlockte, sie jedoch gleichzeitig nicht daran hinderte, weiter über ihren zerschundenen Oberarm zu tasten. Arri war nie besonders wehleidig gewesen, denn in der Welt, in die sie hineingeboren und in der sie aufgewachsen war, war das schlichtweg ein Ding der Unmöglichkeit, aber auch nie über die Maßen tapfer. Sie mied Schmerz, wo sie nur konnte, was nur vernünftig war - nun aber tastete sie weiter über ihren Arm, befeuchtete schließlich die Fingerspitzen mit der Zunge und versuchte die

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