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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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zweifellos in Sarns Auftrag - und dass es die Spuren, die sie entdeckt zu haben behaupteten, gar nicht gab. Sie hatte sich getäuscht. Das musste einer der Fremden sein. Mit einem Mal erkannte sie es so deutlich, als hätte der Mann ihre Gedanken gelesen und ihre Vermutung laut bestätigt: dunkelhaarige Riesen in schwarzen Fellen, die mit Schwertern bewaffnet waren und erst zuschlugen und dann fragten, was sie getroffen hatten.
    Er hatte sie vor dem Wolf gerettet, aber zweifellos nur, um sie jetzt selbst zu töten. Arri begann leise zu wimmern. Sie wollte weiter vor dem Fremden davonkriechen, aber ihre Kraft reichte nicht mehr.
    »Du bist tapfer«, fuhr der Fremde fort. Er ließ den Arm sinken und versuchte auch nicht, noch einmal näher zu kommen. »Aber wenn du das nächste Mal einen Wolf erschlägst, überzeuge dich davon, dass er auch wirklich tot ist.«
    Und damit nickte er ihr noch einmal zu, drehte sich auf dem Absatz um und verschwand so schnell und lautlos wieder im Wald, wie er aufgetaucht war.

7
    Noch lange, nachdem der geheimnisvolle Fremde verschwunden war, stand Arri wie erstarrt da. Ihr Arm schmerzte. Blut tränkte den zerrissenen Stoff ihrer Bluse und lief in einem dünnen Rinnsal an ihrem Handgelenk hinunter. Ihr Herz klopfte, aber jetzt nicht mehr so schnell, dass es ihr den Atem abschnürte, sondern langsam und hart, als müsse es vor jedem Schlag mühsam Kraft sammeln, und ihre Gedanken drehten sich jetzt nicht mehr im Kreis, sondern schienen einfach erstarrt zu sein. Sie fühlte sich wie in einem Albtraum gefangen, der plötzlich wahr geworden war und nicht aufhörte, wenn man erwachte, sondern einfach weiterging und ganz im Gegenteil nur noch schlimmer wurde.
    Irgendwann fand sie wenigstens weit genug in die Wirklichkeit zurück, um aufzustehen und mit zitternden Knien zu dem erschlagenen Wolf hinüberzugehen. Obwohl es diesmal keinen Zweifel mehr daran gab, dass er endgültig und unwiderruflich tot war, griff die Angst abermals mit eisigen Fingern nach ihr. Selbst im Tod wirkte das Tier furchteinflößend; abgemagert und verletzt oder nicht, es war eine gewaltige Bestie mit beeindruckenden Klauen und Fängen, deren bloßer Anblick ihr einen neuerlichen Schauer den Rücken hinunterlaufen ließ. Sie hatte Glück gehabt, dass der Wolf sie auch bei seinem zweiten Angriff verfehlt hatte - hätte er sie richtig getroffen, hätte er ihr vermutlich den Arm abgerissen. Und wäre dieser unheimliche Fremde nicht gekommen.
    Als wäre dieser Gedanke ein Auslöser gewesen, meldete sich ihr Arm mit pochendem Schmerz zurück. Arri riss den Blick mit erheblicher Mühe von dem toten Wolf los und wich vorsichtshalber drei, vier Schritte vor ihm zurück - man konnte schließlich nie wissen -, bevor sie mit spitzen Fingern den zerrissenen Ärmel ihrer Bluse hochhob und ihren Arm begutachtete. Er sah schlimm aus; nicht so schlimm, wie er sich anfühlte, aber schlimm genug. Sie hatte vier tiefe Kratzer davongetragen, von denen einer noch immer heftig blutete. Als sie behutsam danach tastete, tat es so weh, dass sie scharf die Luft einsog und nur mit Mühe einen Schrei unterdrücken konnte.
    Der Schmerz trieb ihr Tränen in die Augen, aber er erinnerte sie vor allem an einen anderen, viel schlimmeren und zugleich ähnlichen Anblick, den sie vor nicht allzu langer Zeit gehabt hatte. Sie musste die Wunde reinigen, bevor sie sich entzündete.
    Obwohl ihr alles andere als wohl dabei war, machte sie kehrt und ging zur Lichtung zurück, um die Wunde im eiskalten Wasser der Quelle auszuwaschen, was wirklich wehtat. Die Eiseskälte betäubte den Schmerz nicht, wie sie erwartet hatte, sondern fachte ihn im Gegenteil eher noch an, sodass ihr die Tränen über das Gesicht rannen, als sie endlich fertig war. Aber sie hatte die Wunde gesäubert, und wenn sie jetzt noch einen Verband anlegte, würde sie sich zumindest nicht entzünden.
    Den Korb, den sie auf der Flucht vor dem Wolf fallen gelassen hatte, hatte sie auf dem Rückweg wieder aufgehoben, aber er war natürlich leer; die Pilze waren irgendwo im Wald verstreut, und die Blätter und Heilkräuter hatte sie ja sowieso erst auf dem Rückweg mitnehmen wollen. Einen Moment lang überlegte sie ernsthaft, irgendeinen Verband aus Blättern aufzulegen, entschied sich aber dann dagegen. Ihr Arm schmerzte noch immer höllisch, aber wenn sie eines von ihrer Mutter gelernt hatte, dann, dass die Natur zwar über gewaltige Heilkräfte verfügte, aber auch unermesslichen Schaden

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