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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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anrichten konnte, wenn man diese Kräfte falsch einsetzte. Außerdem musste sie sich beeilen, um nach Hause zu kommen. Sie hatte eine Menge zu erzählen.
    Unwillkürlich schlug sie einen respektvollen Bogen um den Kadaver des Wolfes, als sie sich endgültig auf den Rückweg machte. Das Wissen, dass er ihr nicht mehr gefährlich werden konnte, änderte nichts daran, dass er ihr immer noch Angst machte. Darüber hinaus nistete sich ein hässlicher, aber hartnäckiger Gedanke in ihr ein: nämlich der, dass da, wo ein Wolf war, durchaus auch noch ein zweiter sein konnte. Dass das Tier von seiner Meute ausgestoßen worden war, bedeutete nicht unbedingt, dass es sich besonders weit von ihr entfernt hatte.
    Nicht nur weil ihr Arm mittlerweile erbärmlich wehtat, wurde Arri immer schneller, je mehr sie sich ihrem Zuhause näherte. Vielleicht war es am Anfang einfach zu viel gewesen, und vielleicht war der Schrecken einfach noch größer gewesen, als ihr bewusst gewesen war - immerhin hatte sie, wenn sie es recht bedachte, zum allerersten Mal wirklich Todesangst gehabt, auch wenn sie dies niemals laut zugeben würde. Doch es kam ihr so vor, als hätte sie alles, was geschehen war, bisher gar nicht begriffen. Mit jedem Schritt, den sie dem Dorf näher kam, veränderten sich die Bilder in ihrer Erinnerung, wurden wirklicher und gleichzeitig auf eine andere Art viel schlimmer. Mit einem Mal schien der Wald von fremden, bedrohlichen Geräuschen erfüllt zu sein, dem Tappen von schweren Pfoten, dem Rascheln von rauem Fell, das an Baumstämmen entlangstrich, einem gierigen Hecheln und Knurren.
    Obwohl ihr die Erfahrung zu sagen versuchte, dass es nichts anderes als Einbildung war, nichts anderes sein konnte - denn wären die Wölfe noch in der Nähe, dann wäre sie längst tot -, war sie zugleich davon überzeugt, die Geräusche des näher kommenden Rudels zu hören, die Meute zu spüren, die sie einkreiste und auf einen günstigen Moment zum Angriff wartete. Ihr Instinkt versuchte immer verzweifelter, ihr klarzumachen, dass nichts davon wirklich war, aber es nutzte nichts - als sie noch hundert Schritte vom Waldrand entfernt war, ließ sie den Korb abermals fallen und verfiel in einen schnellen Laufschritt. Ihr Arm quittierte die Anstrengung mit noch schlimmeren, pochenden Schmerzen, und die Wunde begann wieder heftiger zu bluten, doch das nahm sie nicht einmal wahr. Wie von Sarns grausamen Göttern gehetzt, fegte sie aus dem Wald, überwand das kurze Stück bis zur Hütte ihrer Mutter mit wenigen gewaltigen Sätzen und stürmte die Stiege hinauf, ohne dass ihre Zehen die groben Stufen auch nur wirklich zu berühren schienen. Fast ohne langsamer zu werden, rannte sie durch die Türöffnung, verhedderte sich prompt in dem muschelbesetzten Vorhang und verlor das Gleichgewicht. Irgendwie gelang es ihr, ihren Sturz mit den Händen abzufangen, was einen noch schlimmeren, jetzt fast grausamen Schmerz durch ihren Arm schießen ließ, aber sie ignorierte auch ihn, richtete sich hastig auf und sprudelte mit schriller Stimme hervor: »Mutter, ich.«
    Sie hatte vergessen, dass ihre Mutter sie weggeschickt hatte. Sie hatte vergessen, warum ihre Mutter sie weggeschickt hatte.
    Es war sehr dunkel in der Hütte. Ihre Mutter hatte die Biberfelle vor die beiden Gucklöcher gehängt, sodass nur wenig Licht durch die Ritzen zwischen dem Fell und der lehmverputzten Wand drang oder sich zwischen den muschelbesetzten Strängen des Vorhangs hindurchschlich. Im allerersten Moment sah sie ihre Mutter nicht, sondern spürte lediglich ihre Anwesenheit. Sie lag auf der Grasmatratze, auf der sie Kron mit einem wuchtigen Schlag ihres Zauberschwertes den Arm abgetrennt hatte - Arris Matratze! -, und ihre viel hellere, fast weiße Haut bildete in dem schattendurchwobenen Halbdunkel des Hauses einen deutlichen Kontrast zu der sonnengebräunten, fast kupferfarbenen Haut der muskulösen Gestalt, die neben ihr lag.
    Arri konnte das Gesicht des Mannes nicht erkennen, denn es war zwischen den Brüsten ihrer Mutter verborgen, während seine rechte Hand zu ihrem Schoß geglitten war und sich zwischen ihren leicht gespreizten Beinen zu schaffen machte. Der muskulöse Rücken des Mannes glänzte vor Schweiß, und ein sonderbarer, nicht ganz unvertrauter Geruch, der zugleich unangenehm wie auf seltsame Weise erregend war, lag in der Luft; der Geruch nach Schweiß und den verbotenen, berauschenden Kräutern, mit denen ihre Mutter manchmal den Wein versetzte, aber auch noch

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