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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Blätterdach des Waldes ein. Für eine Weile war Arri überzeugt davon, dass sie wieder zur Quelle gehen würden, damit sie ihre Ausbildung - nunmehr bei Tageslicht - fortsetzten. Sie warf dem Schwert, das ihre Mutter trotz seines Gewichts locker in der linken Hand trug, dann und wann einen schrägen Blick zu, aber sie stellte keine entsprechende Frage, schon weil es etwas viel Unangenehmeres auf der Lichtung gab, der sie sich jetzt näherten. Sie versuchte ein paar Mal unauffällig die Richtung zu wechseln, nicht viel, gerade weit genug, dass sie nicht an der Stelle vorbeikommen würden, an der der tote Wolf lag, aber ihre Mutter hielt den einmal eingeschlagenen Kurs stur bei, sodass sich Arri am Schluss insgeheim fragte, ob sie vielleicht längst um das tote Tier wusste - und um alles andere auch, was hier geschehen war.
    Doch sie erlebte eine Überraschung. Als sie an der entsprechenden Stelle ankamen - Arri erkannte sie sofort an niedergetrampeltem Unterholz und geknickten Zweigen -, war der Wolf nicht mehr da. Sie konnte mit Mühe ein Aufatmen unterdrücken, doch ihre Erleichterung hielt nur einen winzigen Moment an, denn ihre Mutter blieb plötzlich stehen, wandte mit gerunzelter Stirn den Kopf zuerst nach links, dann nach rechts und ging dann langsam, aber zielsicher genau dorthin, wo der Kadaver des Wolfes gelegen hatte. Behutsam ließ sie sich in die Hocke sinken, rammte das Schwert ohne sichtbare Anstrengung fast eine Handbreit tief in den Boden, um beide Hände frei zu haben, und tastete mit den Fingerspitzen über die Stelle, an der der Wolf von dem Fremden erschlagen worden war. Sie schwieg eine ganze Weile. Schließlich hob sie die Finger der linken Hand ans Gesicht, roch daran und schüttelte kurz den Kopf, wie um sich eine in Gedanken selbst gestellte Frage zu beantworten.
    »Hier hat etwas gelegen«, sagte sie, während sie sich an ihrem Schwert hochstemmte und sich zugleich schon wieder zu Arri umdrehte. »Etwas ziemlich Großes. Es ist eine Menge Blut geflossen.«
    Irgendwie gelang es Arri, ihrem Blick nicht auszuweichen und auch ansonsten ein möglichst unbeteiligtes Gesicht zu machen. Nicht zu unbeteiligt, selbstverständlich. »Und?«
    Lea verzog nachdenklich die Lippen. »Etwas, das ein so großes Tier schlägt, muss ziemlich gefährlich sein. Hat Rahn nicht erzählt, sie hätten die Spuren von Wölfen gefunden?«
    Arri nickte hastig. »Vielleicht ist es einfach so gestorben«, sagte sie mit einer Kopfbewegung auf die Stelle hinter ihrer Mutter. Natürlich wusste sie, dass es nicht stimmte. Für einen Moment kam es ihr so vor, als wären die Umrisse des toten Wolfes mit deutlich sichtbaren Linien auf dem Boden zu erkennen. Hatte der Fremde den Kadaver weggeschafft? Wahrscheinlich nicht. Auch wenn die meisten von ihnen so klein waren, dass sie den Menschen allenfalls als Nahrung dienten und keine Gefahr darstellten, so hatte dieser Wald doch eine Menge hungriger Bewohner, für die das tote Tier ein wahres Festmahl dargestellt haben musste.
    Ihrer Mutter schüttelte entschieden den Kopf. »Nein. Es ist Blut geflossen. Ziemlich viel Blut.« Einen Moment lang sah sie Arri auf eine Art an, unter der diese sich nun wirklich unbehaglich zu fühlen begann, dann aber tat sie das Ganze mit einem Schulterzucken ab, zog das Schwert wieder aus dem Boden und forderte sie mit einer entsprechenden Kopfbewegung auf, weiterzugehen. Arri atmete innerlich erleichtert auf. Sie war keine besonders begabte Lügnerin. Hätte ihre Mutter auch nur eine einzige weitere Frage gestellt, wäre sehr rasch klar geworden, was hier wirklich geschehen war.
    Nach wenigen Augenblicken erreichten sie die Lichtung, aber Arris Mutter machte an der Quelle nur einen Augenblick Halt, um einen Schluck Wasser zu trinken und ihren Durst zu löschen, dann gingen sie weiter. Sie drangen auf der gegenüberliegenden Seite in den Wald ein, in die Richtung, die Arri bisher stets gemieden hatte. Ihr war nicht besonders wohl dabei, aber sie verbot sich selbst jede entsprechende Frage oder Bemerkung und schloss nur ein wenig dichter zu ihrer Mutter auf.
    Auch bei Tageslicht unterschied sich dieser Wald von dem, durch den sie hierher gekommen waren. Die mächtigen Eichen und Buchen standen dichter, und das Blätterdach über ihren Köpfen war nahezu vollkommen geschlossen, was dazu führte, dass es hier spürbar kühler und dunkler war, sodass in diesem Wald eine immerwährende, graue Dämmerung herrschte. Unterholz und Gestrüpp wucherten um sie

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